Friday 24 September 2010

Eine verpasste Gelegenheit

von Gary L. Francione Blog

Liebe KollegInnen,

Es macht mich immer traurig, wenn eine [Tiere betreffende ] Streitfrage in den Nachrichten kommt und Anwälte der Tiere die Chance verpassen, die Öffentlichkeit über Veganismus aufzuklären, weil sie stattdessen lieber auf den Zug des Neuen Tierschutzes aufspringen und den Menschen ein besseres Gewissen bei der Ausbeutung von Tieren verschaffen.

Die britische Zeitung The Mail on Sunday brachte heute eine Story, in der sie berichtete, dass ein großer Teil des in Großbritannien servierten Fleisches halal ist – das Tier wurde dem islamischen Gesetz gemäß geschlachtet. Halal ist das Gleiche wie das jüdische Schlachtritual Kaschnut [jüdische Speisegesetze] und bedeutet, dass ein tiefer Schnitt in den Hals des Tieres gemacht wird, der die Halsschlagader auf beiden Seiten durchtrennt, aber das Rückenmark intakt lässt [Schächten]. So geschlachtete Tiere werden nicht betäubt, und Halal- und Koscher-Schlachtung wird als grausamer kritisiert, als eine, die mehr Schmerzen und Leiden verursacht, als die Schlachtmethode mit Betäubung, die das Tier bewusstlos machen soll, bevor die eigentliche Tötung erfolgt.

Viele Menschen in Großbritannien sind aufgebracht ob des Gedankens, dass das Fleisch, das sie essen, von Tieren stammt, die nicht ''human'' getötet wurden.

Ich würde behaupten, dass kein Tier, von irgendjemandem in Großbritannien oder irgendwo sonst auf der Welt konsumiert, in einer Weise behandelt und getötet worden ist, die ''human'' genannt werden könnte, ohne das Wort in obszön missbräuchlicher Weise zu verwenden.

Die Story lieferte Anwälten der Tiere also die Gelegenheit, der besorgten Öffentlichkeit zu erklären, dass es so etwas wie ''human'' produziertes Fleisch nicht gibt, dass alles Fleisch – und alle Tierprodukte – von Tieren stammen, die selbst unter den besten Bedingungen gequält worden sind. Und wir können das Töten von Tieren unter keinen Umständen rechtfertigen, wenn die einzige Rechtfertigung, die wir haben, ist, dass sie gut schmecken.

Haben die Anwälte der Tiere von dieser Gelegenheit Gebrauch gemacht?

Mitnichten.

Stattdessen beschrieben sie das Problem als eines, bei dem es um eine Praktik einer bestimmten Religion geht. Zum Beispiel wird VIVA! [Vegetarians International Voice for Animals] in dem Artikel wie folgt zitiert:

Andere Praktiken, die aus religiösen Gründen ausgeübt werden mögen, wie Polygamie oder das Steinigen von Ehebrecherinnen, sind im Vereinigten Königreich nicht erlaubt.

Die Freiheit der Religion hat keinen Vorrang vor anderen moralischen Erwägungen, und das Leiden, das diese Form der Schlachtung verursacht, ist so gravierend, dass es uns nicht gestattet, nichts dagegen zu unternehmen. Konsumenten können ihren Teil dazu beitragen, indem sie Orte boykottieren, die fortdauernd Fleisch von unbetäubten Tieren verkaufen.

Ich finde es furchtbar traurig, dass VIVA! entschieden hat, dieses Problem als das einer muslimischen Praktik darzustellen, die Art und Weise betreffend, wie Tiere geschlachtet werden, nicht, dass sie überhaupt geschlachtet werden. Leider haben Muslime kein Monopol darauf, Tiere zu misshandeln, und VIVA!s Kommentare ermutigen Islamophobie, die in den USA und Großbritannien bereits grassiert. Und wie bereits erwähnt, verwenden Juden eine gleichartige Schlachtmethode, und das Schlachten mit Betäubung, von dem jeder denkt, es sei so viel besser als was Muslime und Juden praktizieren, ist gleichfalls wirklich grässlich.

Es ist nichts als ein bloßes Hirngespinst, zu glauben, es gebe irgendeinen bedeutsamen Unterschied zwischen Halal-Fleisch und ''humanem'' Fleisch . Alles dies schließt Qualen und Tod ein. Es ist schlicht unehrlich, die Vorstellung zu verewigen, dass wir gleichzeitig Tiere als Mitglieder der moralischen Gemeinschaft betrachten und fortfahren können, sie und aus ihnen gemachte Produkte zu essen.

Jeder, der Tiere konsumiert, sitzt, fürchte ich, gewissermaßen im selben Boot. Es gibt kein speziell für Muslime oder Juden konstruiertes Boot. Indem wir halal oder kashrut kritisieren, tun wir so, als ob es einen moralisch bedeutsamen Unterschied [zwischen diesem und anderem Fleisch] gibt und als ob jene, die Fleisch von betäubten Tieren essen, moralisch überlegen seien, weil sie sich mehr um Tierschutz sorgen. Wir beteiligen uns wider einmal an der Lieblingsbeschäftigung des Neuen Tierschutzes, Menschen zu einem guten Gewissen bei der Ausbeutung von Tieren zu verhelfen, solange es ''human'' und mit Rücksicht auf den ''Tierschutz'' geschieht.

Ich sollte erwähnen, dass viel von dem in den USA, besonders im Nordosten, verkauften Fleisch aus koscherer Schlachtung stammt; das gleiche Problem existiert also auch auf dieser Seite des Atlantik.

In jedem Fall besteht die Lösung nicht darin, dass Sie Fleisch von betäubten Tieren kaufen oder Orte boykottieren, die Halal- oder koscheres Fleisch verkaufen.

Die Lösung ist, dass Sie sich fragen: Wenn mich das Problem kümmert, wenn ich Tierquälerei und unnötiges Töten ablehne, warum esse ich dann irgendwelches Fleisch oder irgendwelche Tierprodukte?

Die Antwort darauf ist, dass Sie entweder einräumen, sich nicht wirklich darum zu scheren oder anfangen, ernsthaft daran zu denken, vegan zu leben.

Es ist eine Schande, dass Gruppen wie VIVA! darauf beharren, dass Veganismus etwas für den Durchschnittsmenschen zu Abschreckendes sei, um es verstehen zu können. Das ist es keineswegs, und diese gängelnde Haltung wird zu einer selbst erfüllenden Prophezeiung und fördert die Darstellung von Veganismus als ''extrem''.

Was schwer zu verstehen ist: wie eine soziale Bewegung, die Tierausbeutung vorgeblich ablehnt, sich weigern kann, für Veganismus als moralische Grundlinie einzutreten, und sich stattdessen damit begnügt, ''Bio-Fleisch'', ''Bio-Milch'' und ''Bio-Eier'' als Produkte, die solchen aus Massentierhaltung vorzuziehen sind, zu bewerben oder die Vorstellung zu verewigen, es gebe einen bedeutungsvollen moralischen Unterschied zwischen Fleisch und anderen Tierprodukten.

Wenn Sie nicht vegan leben: fangen Sie damit an. Es ist ... das moralisch Richtige und Gerechte.

Gary L. Francione
©2010 Gary L. Francione



Sunday 19 September 2010

Die ''Bio-Fleisch''*-Bewegung und die Partnerschaft von Tierschutz und Tierindustrie

von Karin Hilpisch und James Crump

* Fleisch steht hier stellvertretend für alle Produkte tierlicher Herkunft.

Tierschutz legitimiert Tiernutzung

In seinen Büchern, Artikeln und Essays hat Gary L. Francione umfassend und eingehend den rechtlichen Status von Tieren als Eigentum analysiert, der in Gesetzen, welche die Tiernutzung regulieren, verankert ist, und durch jede Reform des Tierschutzes bestätigt und verstärkt wird.

Jeff Perz drückt es in einem Internetforum so aus: ''Einer der Gründe, warum Abolitionismus eine Kritik des Tierschutzes einschließt, ist, dass jedes Mal, wenn ein neues Tierschutzgesetz verabschiedet wird, der Eigentumsstatus anderer Tiere um so mehr kodifiziert und um so tiefer verwurzelt wird.'' (1) Und Dan Cudahy notiert in seinem Blog:''Mehr und mehr Regulierungen erweitern die regulative Struktur der Tierausbeutung, letztlich gestützt durch mehr Bürokratie, mehr Inspekorenstellen und mehr 'Legitimität' des gesamten Unternehmens Tierausbeutung, die Tiere immer tiefer im Status als Eigentum und Ware verwurzelnd.'' (2)

Dies ist unweigerlich so, weil Tierschutzreformen darauf abzielen, die Behandlung von Tieren zu verbessern, ihre Nutzung durch den Menschen aber nicht in Frage stellen. Tatsächlich ''(machen) Kampagnen für Tierschutzreformen .. nur Sinn, wenn die Nutzung von Tieren moralisch zulässig und das einzige Problem ist, wie wir die Tiere behandeln, die wir nutzen.'' Francione, Der Kontext macht den Unterschied.


Es versteht sich von selbst, dass die Legitimierung der Nutzung von Tieren und damit die Verstärkung ihres Eigentumsstatus der Abschaffung der Tierausbeutung diametral entgegenwirkt.

In seinem Blog schreibt Francione: ''In einem großen Teil meiner Schriften habe ich argumentiert, dass die Unterstützung des 'Bio-Fleisch'-'Ansatzes ['happy meat' approach] nicht nur dazu geführt hat, dass sich die Öffentlichkeit beim Konsum von Tierprodukten wohler fühlt [i. e. ein weniger schlechtes oder gutes Gewissen hat], sondern ebenso zu einer verstörenden Partnerschaft zwischen Anwälten der Tiere und institutionellen Tierausbeutern.''

Die rückschrittliche und kontraproduktive ''Bio-Fleisch''-Bewegung ist auch Gegenstand von Franciones Blogessay ''Bio-Fleisch'': Menschen sich beim Essen von Tieren wohler fühlen lassen, in dem auf weitere Bloeeinträge zu diesem Thema verwiesen wird.

Tierschutz und Tierindustrie: gute Geschäfte und gemeinsame Interessen

Ein ebenso anschauliches wie bestürzendes Beispiel der Partnerschaft zwischen Tierschutz und Tierindustrie bildet das Abkommen zwischen People for the Ethical Treatment of Animals (PETA) und Kentucky Fried Chicken (KFC) über das Vergasen von Hühnern, das sogenannte Töten in kontrollierter Atmosphäre [controlled atmosphere killing / CAK], ein Abkommen, in dem es ''keine Meinungsverschiedenheiten darüber, wie Tiere behandelt werden sollten'' gab und in dem eine Tierschutzorganisation als unbezahlte Werbeagentur eines Tod verkaufenden Unternehmens, als unentgeltlicher Berater der Tierindustrie darüber, wie sie ihre Profite steigern kann, figurierte. Aber auch PETA kam bei diesem Deal mit KFC auf seine Kosten: einen ''gewaltigen Sieg'' für den Tierschutz verkündend, kann sich die Organisation (''die Hälfte unserer Mitglieder ist vegetarisch und die andere Hälfte hält es für eine gute Idee'' ) eines stetigen Spendenflusses sicher sein.

Aber es wäre unfair, PETA in dieser Hinsicht herauszustellen, ohne zu erwähnen, dass The Humane Society of the United States (HSUS) – die größte und mächtigste Tierschutzorgaisation in Amerika – sich ebenfalls als Vertriebsabteilung und als Wirtschaftsberater der Tierindustrie betätigt, jenes durch das Bewerben ''humaner'' Tierprodukte, dieses durch das Erstellen von Wirtschaftlichkeitsberechnungen, welche im Detail die höhere Rentabilität zum Beispiel der Gruppenhaltung von Sauen gegenüber dem Kastenstand aufführen. Siehe hierzu Ein ''Triumph'' des Tierschutzes?. Darüber hinaus fahren PETA und HSUS Millionen Spendengelder ein mit der systematischen Falschdarstellung der Natur von Tierschutzkampagnen. Obwohl Tierschutzreformen ausnahmslos auf erhöhte Ausbeutungseffizienz gegründet sind und von der Industrie aus wirtschaftlichen Gründen ohnehin eingeführt würden, werden sie von PETA und HSUS nichtsdestoweniger als große ''Siege'' und ''Erfolge'' für die Tiere porträtiert.

Aber das Zusammenspiel zwischen Tierschutz und Tierindustrie gedeiht nicht nur auf der anderen Seite des großen Teichs.

Die ''Bio-Fleisch''-Bewegung in Österreich: eine Fallstudie

2008 wurde eine programmatische Schrift in deutscher und englischer Fassung mit dem Titel ''Abschaffung versus Reform oder: Welche Kampagnen führen letztendlich zu Tierrechten?'' (3) / ''Abolitionism versus Reformism or which type of campaign will lead to abolition everntually?'' (4) in Internet verbreitet (und von Francione kritisch kommentiert, siehe: Ein ''sehr neuer Ansatz'' oder einfach mehr Neuer Tierschutz?, verfasst vom Obmann des in Österreich ansässigen Vereins gegen Tierfabriken (VGT), Martin Balluch. In dieser Schrift legt der Autor die Auffassung dar, dass zwischen Tierschutz und Tierrechten eine philosophische Kluft, zugleich aber ein politisches und psychologisches Kontinuum besteht, das heißt eine kontinuierliche Entwicklung der Gesellschaft und des einzelnen Menschen von der regulierten Tierausbeutung zur Abschaffung der Tierausbeutung, das heißt vom Tierschutz zu Tierrechten.

Diese Entwicklung begreift Balluch als eine, in welcher der Tierschutz eine psychologisch und politisch unabdingliche Rolle speilt und daher nicht 'übersprungen' werden kann. Folgerichtig sieht er die Förderung des Veganismus als einzigen Weg zur Abschaffung der Tierausbeutung als ''zum Scheitern verurteilt''. Diese Sichtweise manifestiert sich in einer Vereinspolitik der massiven Förderung ''humaner'' Ausbeutungspraktiken und -produkte auf allen Ebenen:

Kampagnen

— ''Stroh macht froh'': Eine Kampagne, die den Konsumenten von Schweinefleisch die Vorzüge der Schweinehaltung auf Stroh anstatt auf Spaltenböden vermittelt; (5)

— Werbung für Boden- und Freilandhaltung von Hühnern und Kaninchen (6)

– Werbung für ''Bio-Eier'', die ''Käfig-Eiern'' als ethische Alternative zu einem ''Produkt, für welches leidensfähige Lebewesen wie Eiermaschinen gnadenlos ausgebeutet werden'', gegenübergestellt werden. (7) (Man 'vergisst' zu erwahnen, dass auch für ''Bio-Eier'' leidensfähige Lebewesen gnadenlos ausgebutet werden.)

— eine Initiative zur Verleihung des ''Good Egg Award'' an österreichische ''Firmen, die sich beim Umstieg weg von Käfigeiern [hin zu Eiern aus Boden- oder Freilandhaltung] besonders verdient gemacht haben.'' (8)

In den USA loben PETA und andere Tierschutzgruppen öffentlich eine Einzelhandelskette für den Verkauf der Leichen ''human'' gezüchteter und geschlachteter Tiere. (9) Siehe hierzu: ''Bio-Fleisch...'': ein Schritt in die richtige Richtung oder ''ein leichterer Einstieg zurück'' zum Essen von Tieren?

— Mit der Forderung von '' Anreizsysteme(n)' zur Nutzung nächstmöglicher Schlachthöfe'' (10) steht der VGT PETAs Verleihung seines ''Proggy Award'' an eine '''visionäre'' Schlachthus-Designerin in nichts nach. Siehe hierzu: ''Bio-Fleisch''...

Marketing

Der VGT vermarktet Tierprodukte, die nach den Richtlinien von ''Tiergerechtigkeit'' produziert werden, mittels einer ''Kontrollstelle für artgemäße Nutztierhaltung'', die 1995 von drei Tierschutzvereinen in Österreich ''als neutrale und unabhängige Überwachungsorganisation ins Leben gerufen (wurde)'''. Aufgabe dieser Einrichtung ist die ''Kontrolle, Zertifizierung und Überwachung von Produktionsbetrieben sowie Groß- und Zwischenhändlern im Hinblick auf die Übereinstimmung mit den Richtlinien'' gemäß ''von Fachleuten entwickelten Kriterien rund um artgerechte Hühnerhaltung''. Produkte aus solcher Haltung werden mit dem geschützen Markenzeichen ''tierschutzgeprüft'' zertifiziert. (11)

Gütesiegel, welche die ''humane'' Behandlung von Tieren zertifizieren und von Tierschutzgruppen beworben werden, ermuntern die Bevölkerung zum Konsum von Tierprodukten, was zu einer Steigerung der Nachfrage nach diesen und zu erhöhten Profiten der Anbieter führt.

Als Balluch zusammen mit neun anderen Aktivisten im letzten Jahr verhaftet wurde und drei Monate im Gefängnis saß, wurde eine Reihe von offenen Briefen zur Unterstützung der Inhaftierten geschrieben. In einem davon lobt Toni Hubmann, ein ''Bio-Ei''-Landwirt, die Zusammenarbeit zwischen ihm, Balluch und zwei anderen Tierschützern, die seit 2002 in der oben erwähnten Kontrollstelle praktiziert wird. Hubmann schreibt: ''Jedwede Verbesserung oder Änderung im Nutztierbereich wurde von diesen Herren akzeptiert und im Einvernehmen mit den betroffenen Bauern und Vermarktern umgesetzt. Dies hat dazu geführt, dass die genannten Herren einen nicht unwesentlichen Anteil an der hohen Akzeptanz der Boden- und Freilandhaltung in Österreich haben.(...) Die Tierschutzorganisationen konnten mit ihren Mitarbeitern nicht nur Erfolge für die Weiterentwicklung des nationalen und internationalen Tierschutzes erzielen, sondern haben durch ihr Engagement mitgeholfen, zahlreichen kleinen bäuerlichen Betrieben ein ewirtschaftliche Existenz zu geben.'' (12) [Hervorhebung von uns]

Nachdem Produkte als ''tierschutzgeprüft'' zertifiziert wurden, werden sie in einem ''Einkaufsführer für Produkte aus artgemäßer Tierhaltung'' angepriesen: ''Der 'Verein gegen Tierfabriken' (VGT), der sich nunmehr seit mehr als fünf Jahren konsequent gegen die tierquälerische Massentierhaltung und die negativen Auswüchse der modernen Agrarindustrie für Tier und Mensch einsetzt, war andererseits auch immer die erste privat organisierte Ansprechadresse bei der Suche nach alternativen tierischen Produkten.'' ''Immer mehr Menschen bemühen sich daher um einen kulturellen Fortschritt im Umgang mit den Nutztieren und wollen ihnen als Gegenleistung für ihre 'Dienste' wenigstens ein erträgliches Leben vor dem Tod schenken.'' (13) Produkte ''aus artgemäßer Tierhaltung'' werden nicht nur angepriesen, sondern gelegentlich sogar an die Bevölkerung verteilt. (14)

Das System ändern, aber nicht das Denken?

Gegen die gesellschaftliche Verbreitung des Veganismus macht Balluch unter anderem geltend, dass ''viele Menschen, die vegan gelebt haben, in den Konsum von Tierprodukten zurückfallen.'' (15) Dafür gibt es allerdings mehr als ein Beispiel. Und dass dies so ist, hat wesentlich mit dem gesellschaftlichen Einfluss jener zu tun, die wie Balluch öffentlich verkünden, dass die vegane Lebensweise überaus ''mühsam'' und mit einem ''große(n) Energieaufwand'' verbunden ist. Aber solange Organisationen und Einzelne, die als Anwälte tierlicher Interessen wahrgenommen werden, an die Öffentlichkeit die Botschaft senden, dass das Konsumieren von Produtkten aus ''tiergerechter'' oder ''artgemäßer'' Haltung moralisch akzeptabel ist und unsere moralischen Verpflichtungen Tieren gegenüber mit der ''Humanisierung'' der Ausbeutung abgegolten sind, werden die meisten Veganismus erst gar nicht in Betracht ziehen.

Nach Balluch besteht die Aufgabe der Tierrechtsbewegung nicht darin, das Denken der Menschen, ihre Einstellung zu Tieren zu ändern, sondern ''das System'': ''Die Einstellung selbst der Mehrheit der Bevölkerung ist dahingegen sekundär.'' Mit dieser Auffassung befindet sich die Politik des VGT in voller Übereinstimmung. Sie ändert das Denken der Menschen nicht, sondern bestärkt sie in der Vorstellung, dass wir Tiere wirksam schützen und glechzeitig nutzen können. Aber ohne die Einstellung der Menschen gegenüber Teiren zu verändern, wird das ''System'', das aus Menschen besteht, sich niemals ändern.
Kämpfen für Tierrechte oder Ringen um Marktanteile? Der ''Feind'' ist ein Partner

In seiner Programmschrift führt Balluch aus, dass

— der Kampf um Tierrechte zwischen der Tierrechtsbewegung und der Tierindustrie als dem ''einzigen Feind im politischen Konflikt um die Erreichung von Tierrechten'', ausgetragen wird, wobei jede Partei die Öffentlichkeit, die diesem Konflikt zunächst unbeteiligt gegenüber steht, auf ihre Seite zu ziehen versucht;

– es das vordringliche Ziel der Tierrechtsbewegung sein muss, politischen Druck auszuüben, um schrittweise Reformen durchzusetzen, welche die Tierindustrie schwächen und schädigen.

Vor dem Hintergrund des oben Gesagten lässt sich allerdings schwer erkennen, inwiefern die Aktivitäten des VGT geeignet sein sollen, die Tierindustrie zu schwächen und zu schädigen. Wenn zwei Parteien so unentwirrbar verfilzt sind, wie es bei Tierschutz und Tierindustrie offensichtlich ist, dann kann diese Beziehung schwerlich als ''Konflikt'' beschrieben werden, sondern vielmehr als symbiotisch, zwei Seiten eines Ausbeutungssystems darstellend, mit der Folge, dass es für die Tiere keine Rolle spielt, auf wessen Seite sich die Öffentlichkeit schlägt. Temple Grandin, die ''visionäre'' Schlachthaus-Designerin, drückte es am treffensten aus, als sie feststellte, dass ''die richtige Handhabung von zu schlachtenden Tieren.. 'die Fleischindustrie sicher, effizient und rentabel am Laufen hält.'''(16)

Der Bio-Sektor landwirtschaftlicher Tierhaltung ist offenkundig nicht gemeint mit dem ''einzigen Feind'', welcher der Verwirklichung von Tierrechten im Weg steht. Aber es ist, mehr als alles andere, die Partnerschaft zwischen Tierschutz und Tierindustrie, die der Abschaffung der Tierausbeutung im Weg steht, weil in ihr beide Seiten gleichermaßen als Tierausbeuter figurieren. Es gibt keinen moralisch relevanten Unterschied zwischen einem ''Käfigei'' und einem ''Freilandei'' oder zwischen Fleisch von einem Schwein, das auf Spaltenboden, und einem, dass auf Sroh gehalten wurde. Wer die Nachfrage nach Tierprodukten fördert, ist nicht weniger ein Tierausbeuter als der, der sie deckt. Werbung für Tierprodukte zu machen behandelt Tiere ebenso als Ware, wie Produzenten und Konsumenten es tun. Es ist ebenso unmoralisch. Eine unmoralische Einrichtung – die Tierindustrie – kann nicht durch eine andere unmoralische Einrichtung – Tierschutz – bekämpft werden.

Organisationen wie der VGT sind die stärkste gesellschaftliche Kraft gegen die Verbreitung des Veganismus und die davon abhängige Abschaffung der Tierausbeutung.

KritikerInnen des Neuen Tierschutzes wird oft vorgeworfen, sie sprächen andersdenkenden AktivistInnen ihre ehrliche Überzeugung und guten Absichten ab. Darum geht es nicht. Es geht darum, zu beurteilen, ob das, was jemand tut, in einem logisch nachvollziehbaren, glaubhaften Zusammenhang mit dem steht, was er damit erreichen zu wollen behauptet. Dazu gehört das kritische Reflektieren auf die strukturellen Bedingungen seines Handelns, unter welchen dieses mit dem erklärten Ziel in Widerspruch geraten kann.

Allgemein gesagt kann eine Organisation, deren Tätigkeit Kosten verursacht, für deren Deckung sie auf Mitgliedsbeiträge und Spenden angewiesen ist, nicht unabhängig von den Interessen und Zielen ihrer Mitglieder und Spender agieren. Um fortzubestehen und zu wachsen, muss eine solche Organisation in Übereinstimmung mit den Interessen derjenigen handeln, deren Zuwendungen ihre finanzielle Basis bilden.

In Kontext von Tieranwaltschaft bedeutet dies: In einer Gesellschaft, in der 99 Prozent der Bevölkerung Tiere nutzen, hauptsächlich dadurch, Tierprodukte zu konsumieren, und dies für so notwendig, zumindest aber für so unproblematisch halten wie Atmen und Wasser trinken, rekrutiert sich die Mehrheit der Mitglieder und SpenderInnen einer Organisation, die als Anwalt für Tiere auftritt, zwangsläufig aus TiernutzerInnen. Dies wäre nur anders, wenn die Tätigkeit dieser Organisation ausschließlich und unzweideutig auf die gesellschaftliche Verbreitung des Veganismus gerichtet wäre oder wenn die Akzeptabilität von Mitgliedern, SpenderInnen und SponsorInnen an deren Veganismus gekoppelt wäre. Wo dies nicht der Fall ist, wird die Organisation unweigerlich im Sinne derer handeln, die Tiere nutzen und die, ohne Aufklärung darüber, warum es moralisch falsch ist, Tiere zu nutzen, dies auch weiterhin zu tun wünschen.

Mit anderen Worten, das Ziel, die Nutzung von Tieren abzuschaffen, kann von besagter Organisation aus Gründen ihrer Selbsterhaltung gar nicht ernsthaft verfolgt werden. Es ist mit den Bedingungen der Möglichkeit ihres Bestehens grundsätzlich unvereinbar. Und eine Einrichtung, welche die Grundlage der wirtschaftlichen Existenz von FunktionärInnen und Angestellten bildet oder von der diese in irgendeiner Weise wirtschaftlich profitieren, kann nicht als eine gedacht werden, die darauf angelegt ist, sich selbst ''überflüssig'' zu machen durch die Besteigung dessen, was sie vermeintlich notwendig macht. Deshalb geht die Politik einer mehrheitlich von NichtveganerInnen getragenen Organisation darauf aus, die Nutzung von Tieren moralisch akzeptabel erscheinen zu lassen, was Menschen ein gutes Gewissen dabei, es zu tun, verschafft.

Dass das Eintreten für Tiere, um auf die Abschaffung der Tierausbeutung hinarbeiten zu können, von finanzieller Unterstützung durch jene unabhängig sein muss, die an fortgesetzter Tiernutzung interessiert sind, versteht sich eigentlich von selbst. Oder sollte es zumindest. Eine Organisation, die für ihr Fortbestehen von der finanziellen Unterstützung durch jene, deren Interessen dem erklärten Ziel ihrer Politik entgegenstehen, abhängig ist, befindet sich in einem strukturellen Interessenkonflikt, der das, was die VertreterInnen der Organisation zur Verteidigung ihrer Politik vorbringen, ernsthafter Erwägung unwert macht.


Quellen: (Die URLs der die Aktivitäten des VGT betreffenden Quellen wurden nach dem Erscheinen dieses Essays geändert.]

(1) '' One of the reasons why abolitionism inevitably involves a critique of animal welfare is that, every time a new animal welfare law gets passed, the property status of other animals is that much more codified and entrenched.'' Jeff Perz in in einem nur Mitgliedern zugägnlichen Forum.
http://www.animalrightscommunity.com/abolitionists/viewtopic.php?f=7&t=287&st=0&sk=t&sd=a&start=20

(2) ''More and more regulations add a regulating structure to animal exploitation supported eventually by more bureaucracy, more inspector jobs, and more ‘legitimacy’ to the entire enterprise, entrenching animals ever deeper into property and commodity status.'' Dan Cudahy, ''Abolitionism versus New Welfarism: A Contrast in Theory and Practice''
http://unpopularveganessays.blogspot.com/

(3) Abschaffung versus Reform
http://www.vegan.at/warumvegan/tierrechte/abschaffung_vs_reform.html

(4) Abolitionism versus Reformism
http://www.vgt.at/publikationen/texte/artikel/20080325Abolitionism/index_en.php

(5) ''Stroh macht froh''
http://www.vgt.at/presse/news/2008/news20080314.php

(6) Freiland-Huhn
http://www.vgt.at/presse/news/2004/news20040409.php
Freiland-Kaninchen
http://www.vgt.at/publikationen/infomaterial/Kaninchen/071112_FB_kaninchen.pdf

(7) Ethische Alternative
http://www.vgt.at/presse/news/2004/news20040413.php

( 8) Good Egg Award
http://www.vgt.at/presse/news/2007/news20070321.php

(9) ''Lieber John, *
die unterzeichneten Tierschutz- und Tierrrechtsorganisationen möchten ihre Wertschätzung und Unterstützung für die bahnbrechende Initiative zum Ausdruck bringen, die von Whole Foods Market mit seinen Animal Compassionate [Mitgefühl für Tiere] Normen unternommen hat. Wir hoffen und erwarten, dass diese Normen das Leben von Millionen von Tieren verbessern wird.''
* John Mackey, Geschäftsführer von Whole Foods Market
http://www.abolitionistapproach.com/media/pdf/pr_01-24-05.pdf

(10) Anreizsysteme
http://www.vgt.at/presse/news/2008/news20080828.php

(11) Kontrolstelle
http://www.vgt.at/presse/news/2004/news20040401.php

(12) Offener Brief
http://www.vgt.at/actionalert/repression/prominente/offener%20Brief%20Toni%20Hubmann%20Juni%202008.pdf

(13) Einkaufsführer
http://www.vgt.at/presse/news/1997/news026.php

(14) ''Zusätzlich werden für die Passanten Flugblätter und 'Toni's Freiland-Ostereier' in Vierer-Packungen verteilt!''
http://www.vgt.at/presse/news/1998/news046.php

(15) ''Many people, who did turn vegan, fall back to consuming animal products.''
http://www.vgt.at/publikationen/texte/artikel/20080325Abolitionism/index_en.php

(16) ''According to Grandin, proper handling of animals that are to be slaughtered 'keep[s] the meat industry running safely, efficiently and profitably.'''
Gary L. Francione, Abolition of Animal Exploitation: The Journey Will Not Begin While We Are Walking Backwards
[''Die Reise beginnt nicht, solange wir uns rückwärts bewegen'']

Nachtrag:

KritikerInnen des Neuen Tierschutzes wird oft vorgeworfen, sie sprächen anders denkenden AktivistInnen ihre ehrliche Überzeugung und guten Absichten ab. Darum geht es nicht. Es geht darum, zu beurteilen, ob jemandes Handeln in einem logisch nachvollziehbaren, glaubhaften Zusammenhang mit dem Ziel steht, das er damit zu verfolgen behauptet. Dies erfordert kritisches Reflektieren auf die strukturellen Bedingungen jenes Handelns ein, unter welchen dieses mit dem erklärten Ziel in Widerspruch geraten kann.

Allgemein gesagt kann eine Organisation, deren Tätigkeit laufende Kosten mit sich bringt, die mit Mitgliedsbeiträgen und Spenden gedeckt werden, nicht unabhängig von den Interessen und Zielen ihrer Mitglieder und Spender agieren. Um fortbestehen zu können, muss eine solche Organisation in Übereinstimmung mit den Interessen derjenigen handeln, deren Zuwendungen ihre wirtschaftliche Basis bilden.

In Kontext der Anwaltschaft für Tiere bedeutet dies: In einer Gesellschaft, in der 99 Prozent der Bevölkerung Tiere nutzen, hauptsächlich dadurch, Tierprodukte zu konsumieren, und dies für so notwendig, zumindest aber für so normal und natürlich halten wie Atmen und Wasser trinken, rekrutiert sich die Mehrheit der Mitglieder und SpenderInnen einer Organisation, die als Anwalt für Tiere auftritt, zwangsläufig aus TiernutzerInnen. Dies wäre nur anders, wenn die Tätigkeit dieser Organisation ausschließlich und unzweideutig auf die gesellschaftliche Verbreitung des Veganismus gerichtet wäre oder wenn die sie nur vegane Mitglieder, SpenderInnen und SponsorInnen akzeptieren würde. Wo dies nicht der Fall ist, wird besagte Organisation unweigerlich im Sinne derer handeln, die Tiere nutzen und die, ohne Aufklärung darüber, warum es moralisch falsch ist, Tiere zu nutzen, dies auch weiterhin zu tun wünschen.

Mit anderen Worten, das Ziel, die Nutzung von Tieren abzuschaffen, kann von einer solchen Organisation aus Gründen ihrer Selbsterhaltung gar nicht ernsthaft verfolgt werden. Es ist mit den Bedingungen der Möglichkeit ihres Bestehens prinzipiell unvereinbar. Und eine Einrichtung, welche die Grundlage der wirtschaftlichen Existenz von FunktionärInnen, ManagerInnen u. a. Angestellten bildet oder von der diese in irgendeiner Weise wirtschaftlich profitieren, kann nicht als eine gedacht werden, die darauf angelegt ist, sich selbst ''überflüssig'' zu machen durch die Besteigung dessen, was sie vermeintlich notwendig macht. (Menschen, die für diese Einrichtungen arbeiten, haben finanzielle Verpflichtungen, die sie völlig abhängig von dem aus dieser Tätigkeit erzielten Einkommen machen.) Deshalb wird die Politik der Organisation darauf angelegt sein, der Öffentlichkeit so weit wie möglich entgegenzukommen, um einen steten Fluss finanzieller Unterstützung, hauptsächlich in Form von Mitgliedsbeiträgen und Spenden, zu sichern. Dies wird erreicht durch Kampagnen, welche die Nutzung von Tieren moralisch akzeptabel erscheinen zu lassen, um Menschen ein gutes/ besseres Gewissen dabei, es zu tun, zu verschaffen.

Das Eintreten für Tiere, das auf die Abschaffung der Tierausbeutung zielt, muss von finanzieller oder anderweitiger Unterstützung durch diejenigen unabhängig sein, die daran interessiert sind, Tiere fortgesetzt auszubeuten. Dies gilt für Einzelpersonen ebenso wie für Gruppen, und auch für ehrenamtlich Tätige. Eine Einzelperson oder Gruppe, die nicht unabhängig von der Unterstützung durch jene ist, deren Interessen dem erklärten Ziel ihrer Politik entgegenstehen, befindet sich in einem manifesten Interessenkonflikt, den die Person oder Gruppe dadurch zu umgehen sucht, dass sie ihr eigenes Interesse mit dem der Tiere gleichsetzt. Dabei handelt es sich natürlich um eine eigennützige Rationalisierung.

Ebenso wie es eine Selbsttäuschung wäre, einen Politiker zuzubilligen, dass er etwas Ernstzunehmendes über eine politische Angelegenheit zu sagen hat, aus der er einen finanziellen Nutzen zieht, beraubt der Interessenkonflikt, in dem sich Anwälte der Tiere befinden, das, was sie zur Verteidigung ihrer Politik zu sagen haben, der Autorität, deren es bedarf, um ernsthafter Erwägung wert zu sein.

Ein "sehr neuer Ansatz" oder einfach mehr Neuer Tierschutz?

von Gary L. Francione Blog

Martin Balluch, ein österreichischer Anwalt der Tiere und Präsident des Vereins gegen Tierfabriken VGT)in Österreich, hat einen von ihm verfassten Essay in Umlauf gebracht, den er mir gegenüber als einen "sehr neuen Ansatz" zur Tierrechte/ Tierschutz-Debatte bezeichnet hat.

Balluchs Essay ist lang und stellenweise verworren, aber die Grundthese ist ziemlich simpel:

Den abolitionistischen Ansatz zu verfolgen und abolitionistische Aufklärung über Veganismus anstatt regulierender Tierschutzreformen zu betreiben, ist laut Balluch "zum Scheitern verurteilt”, weil "(i)n einer so stark speziesistischen Gesellschaft wie der unsrigen.. es ein großer Energieaufwand (ist), vegan zu leben”, und "die vegane Lebensweise zu mühsam (ist), als dass sie auch nur eine politisch signifikante Minderheit jemals gleichzeitig annehmen und lange genug durchhalten würde." (1)

Worin besteht nun also der "sehr neue Ansatz", den Balluch vorschlägt?

Er ist der Auffassung, dass wir Tierschutzreformen unterstützen sollten. Balluch macht geltend, "dass es zumindest möglich... ist", dass Tierschutzregulierungen schließlich zur Abschaffung der Tierausbeutung (Abolition) führen, sowohl auf individueller wie auf gesellschaftlicher Ebene. Das heißt, die Unterstützung von Tierschutzreformen bringt psychologisch den Einzelnen zum Veganismus und lässt politisch die Gesellschaft sich in Richtung Abolition bewegen.

Mit einem Wort, Balluch schlägt mitnichten einen "sehr neuen Ansatz" vor.

Er schlägt lediglich das vor, was ich in meinem Buch Rain Without Thunder. The Ideology of the Animal Rights Movement und in anderen Schriften als Neuen Tierschutz identifiziert habe. Neuer Tierschutz ist die Ansicht, dass es zwischen Tierschutzreform und Abolition eine Kausalbeziehung gibt in der Weise, dass erstere zu letzterer führt und der beste (oder einzige) Weg ist, die Abschaffung der Tierausbeutung zu erreichen. Ich habe dargelegt, dass der Neue Tierschutz in moralischer wie in praktischer Hinsicht problematisch ist.

Moralisch gesehen ist der Neue Tierschutz problematisch, weil er bedeutet, dass Anwälte der Tiere, die behaupten, die Abschaffung der Tierausbeutung zu befürworten, für vermeintlich "humanere" Formen derselben kämpfen. (...) Wenn Tierausbeutung moralisch nicht zu rechtfertigen ist, sollte ein Anwalt der Rechte von Tieren nicht für "bessere" Arten und Weisen, etwas Falsches zu tun, werben.

Praktisch gesehen funktioniert Tierschutz schlicht nicht. Tierschutz bietet Schutz tierlicher Interessen nur in dem Maß, in dem es für uns wirtschaftlich vorteilhaft ist. Das sollte nicht überraschen, da Tiere Eigentum sind; sie sind Wirtschaftsgüter, die keinen Wert haben außer dem Wert, den wir ihnen verleihen. Tiere unterscheiden sich von unbelebten Dingen, die uns gehören, da sie, anders als diese, fühlende Wesen sind, die Interessen haben. Aber es kostet Geld, diese Interessen zu schützen, und wir sind im Allgemeinen nur das Niveau an Schutz zu "kaufen" bereit, das durch den wirtschaftlichen Wert tierlichen Eigentums gerechtfertigt ist. So mögen wir zum Beispiel verlangen, dass eine Kuh im Schlachthaus betäubt wird, bevor wir sie festketten, hochwinden und aufschneiden, aber wir tun dies, weil, wenn wir es nicht tun, die Kuh sich bewegt, Schlachthausarbeiter verletzt und Schaden an ihrem Körper verursacht, was die Qualität ihres "Fleisches" mindert.

Wir haben Tierschutz jetzt seit 200 Jahren und es gibt durchaus keinen Beleg dafür, dass Tierschutzreformen zur Abschaffung der Tierausbeutung führen. Tatsächlich beuten wir mehr Tiere auf schrecklichere Arten und Weisen aus als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit. Überdies gibt es die Tendenz, dass in dem Maß, in welchem die Öffentlichkeit der Meinung ist, Tiere würden "humaner" behandelt, deren fortgesetzte Ausbeutung ermutigt wird. Gegenwärtig sehen wir in den Medien eine Story nach der anderen, dass Menschen, die kein Fleisch oder andere Tierprodukte mehr aßen, damit wieder angefangen haben, weil sie glauben, dass Tiere infolge vermeintlicher Reformen im Tierschutz besser behandelt werden.

Balluch hat mich um eine Rückmeldung speziell zu seinem "sehr neuen Ansatz" gebeten. Ich nehme dazu folgendermaßen Stellung:

Aufkärung über Veganismus ist "zum Scheitern verurteilt"

Balluch argumentiert, dass es Zeitverschwendung sei, die Öffentlichkeit über Veganismus aufzuklären, weil man dies seit 130 Jahren in Österreich versucht und es nicht funktioniert habe. Ich kann nicht für die Situation in Österreich sprechen, aber die Bewegung für Tiere im Allgemeinen hat zu keiner Zeit für Veganismus als ihre klare und unzweideutige moralische Grundlinie geworben. Im Gegenteil wird Veganismus von führenden Anwälten der Tiere, wie Peter Singer, als "fanatisch" dargestellt. Singer spricht vom gelegentlichen Konsum tierlicher Produkte als von einem ''Luxus'' und vertritt die Auffassung, dass wir sogar eine Verpflichtung dazu, nicht vegan zu sein, haben mögen, wenn unser Vegansein andere verstimmt. Die Bewegung fördert aktiv ''Bio-Fleisch'' und ''Bio-Milch/ Eier'' und das Etikettieren von Tierleichen und Tierprodukten als "human" produziert, und sie verleiht Auszeichnungen an Designer von Schlachthäusern. Die Bewegung unterscheidet zwischen Fleisch und anderen Tierprodukten, wobei sie Ovo-Lacto-"Vegetarismus" als Standardposition betrachtet.

Die Bewegung für Tiere hat, mit Ausnahme von Pionieren wie Donald Watson, Veganismus konsequent marginalisiert. Es kann wirklich das Spendenaufkommen beeinträchtigen, wenn Sie den Leuten erzählen, dass Veganismus das Mindeste ist, was sie tun können, wenn sie die Interessen von Tieren ernst nehmen. Balluch räumt dies selber ein. Er stellt fest, dass österreichische Tierschutzgruppen 30 Mio Euro an Spenden jährlich einnehmen; "[e]inige bieten zusätzlich auch explizit vegane Kampagnen neben ihrer Reformtätigkeit an. Würden alle Tierschutzgruppen sich auf rein abolitionistische Kampagnen verlegen, sie würden drastisch auf die Größe veganer Gesellschaften schrumpfen und all ihren Einfluss und ihre Möglichkeiten, auch für Veganismus zu werben, verlieren." Wir können also nicht Abolition und Veganismus vorantreiben, weil das die Spenden zurückgehen lassen und dem ein Ende setzen würde, was auch immer als veganer Aktivismus von jenen Tierschutzgruppen unterstützt wird. Balluchs Argumentationsweise ist atemberaubend.

Doch obwohl Balluch sich im Irrtum befände zu behaupten, dass Veganismus jemals die Grundlinie der Bewegung gewesen ist, würde dieser Irrtum seine Analyse nicht beeinträchtigen, weil, ihm zufolge, selbst wenn die gesamte Bewegung dem Veganismus verpflichtet wäre und ihn als klare und unzweideutige moralische Grundlinie verträte, dies ohne Bedeutung wäre. Die Menschen werden [Balluch zufolge] einfach nicht vegan, weil die Gesellschaft speziesistisch und es für die meisten zu schwierig ist, vegan zu leben. Die Öffentlichkeit "schwimmt einfach mit dem Strom und wählt den Weg des geringsten Widerstands." [1]

Wir sollten allerdings die Hoffnung laut Balluch nicht verlieren, der spekuliert, "dass es zumindest möglich, wenn nicht sogar statistisch sehr wahrscheinlich ist, dass sich ein Mensch psychologisch von der Tiernutzung über den Tierschutz zum Tierrecht entwickelt." Das heißt, wenn wir Menschen dazu ermutigen, Tierschutz zu unterstützen, ist es "möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich", dass sie schließlich die vegane Lebensweise annehmen.

Doch Balluch lässt uns im Unklaren darüber, wie genau diese Transformation vonstatten gehen soll. Stellenweise sieht es so aus, als verföchte er die Ansicht, dass Tierschutzregulierungen Tierprodukte letztlich so teuer machen werden, dass die Leute keine andere Wahl haben, als vegan zu leben. Einmal davon abgesehen, dass dieses Szenario voraussetzt, dass eine Öffentlichkeit, der es nicht um die Abschaffung der Tierausbeutung zu tun ist, regulierende Reformen, von denen Balluch behauptet, sie führten schrittweise zur Abolition, unterstützten wird, erhöht Tierschutz, wie ich unten darlege, im Allgemeinen die wirtschaftliche Effizienz der Tierausbeutung und nicht die Produktionskosten. Und angesichts der Gegebenheiten des "freien Handels" würden, selbst wenn Regulierungen Produktionskosten und Preise steigen ließen, billigere Importe erhältlich sein, um die Nachfrage zu befriedigen.

An anderen Stellen macht Balluch anscheinend geltend, dass Menschen durch die Unterstützung von Tierschutzreformen schließlich erkennen, dass Tiernutzung an sich falsch ist. Das heißt, wenn wir die Leute dazu ermutigen zu glauben, dass die Ausbeutung von Tieren moralisch akzeptabel, weil reguliert, ist, werden sie irgendwann einmal dahin kommen, einzusehen, dass Tiernutzung keinesfalls moralisch akzeptabel ist. Warum denkt Balluch, dass die Bekräftigung der Ansicht, dass Tiernutzung moralisch akzeptabel ist, irgendwann zum Ende von Tiernutzung führen wird? Er ist der Auffassung, dass Tierschutzkampagnen helfen, Menschen für Tierleid zu sensibilisieren. Aber die überwältigende Mehrheit der Menschen akzeptiert bereits und hat sei geraumer Zeit akzeptiert, dass es moralisch falsch ist, Tieren "unnötiges" Leiden zuzufügen. Es gibt keinen empirischen Beleg dafür, dass dies in eine abolitionistische Richtung geführt hätte.

Balluchs Argument dafür, warum Aufklärung "zum Scheitern verurteilt" ist, ist überhaupt kein Argument. Er setzt voraus und zieht eine Schlussfolgerung aus etwas, das erst zu beweisen wäre, wenn er behauptet, dass wir Tierschutz unterstützen müssen, weil wir Tierschutz unterstützen müssen.

Ich finde es schwierig, wenn nicht unmöglich, zu glauben, dass es, wenn die Bewegung sich entschieden hätte, die Hunderte von Millionen (vielleicht Milliarden) Dollar, die sie in den vergangenen Jahrzehnten allein in den USA ausgegeben hat, anstatt in Tierschutzkampagnen darin zu investieren, Veganismus in einer klaren und unzweideutigen Weise voranzutreiben, nicht Hunderttausende mehr Veganer gäbe als es heute gibt. Dies würde das Fundament für eine politische Bewegung schaffen, die einen bedeutungsvollen Schutz tierlicher Interessen, einschließlich Verboten der Nutzung von Tieren, anstreben könnte.

Zuletzt bietet Balluchs Essay ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Anwälte der Tiere die vegane Position marginalisieren. Er geht sehr ausführlich darauf ein, wie schwierig es ist, in einer nichtveganen Gesellschaft vegan zu leben. Solange Anwälte der Tiere Veganismus als ein extremes Opfer, das einen zum "Märtyrer" für die Tiere macht, oder als "fanatisch" darstellen, werden sie jedenfalls andere nicht dazu ermutigen, vegan zu werden. Ich bin seit 26 Jahren Veganer. Ich betrachte es als keinerlei Opfer, und die Grundlagen der veganen Ernährung sind nahezu überall verfügbar. Ich bin nicht stärker versucht, Tierprodukte zu essen, weil ich in einer nichtveganen Gesellschaft lebe, als ich versucht bin, irgendetwas anderes zu tun, was ich für moralisch fundamental falsch halte.

Und selbst wenn Balluch Recht hat, dass Menschen daran, dem Veganismus verpflichtet zu sein, nicht immer festhalten, sollte das nicht bestimmen, was unsere Botschaft sein soll. Die Tatsache, dass Rassismus, Sexismus und Heterosexismus in unserer Kultur noch immer grassieren, bedeutet nicht, dass wir unsere Botschaft ändern und diese Formen der Diskriminierung stillschweigend dulden sollten, weil viele Menschen sich noch immer darin betätigen.

Die Unerheblichkeit der Öffentlichkeit

Balluch behauptet, dass die Öffentlichkeit unwichtig im Kampf für Tierrechte sei, weil "(d)er Konflikt um eine Systemänderung in Richtung Ende der Tierausbeutung und Veganismus.. ein direkter politischer Konflikt zwischen Tierrechtsbewegung und Tierausbeutungsseite bzw. Tierindustrie (ist)." Die Öffentlichkeit ist unerheblich; sie "schimmt einfach mit dem Strom und wählt den Lebenswandel des geringsten Widerstands." [2]

Obwohl es sicherlich der Fall ist, dass der Kapitalismus durch das Erzeugen von Konsumwünschen gedeiht, ist die Vorstellung, dass die Tierindustrie der Hauptmotor der Tierausbeutung sei, absurd. Die Tierindustrie existiert, weil die Öffentlichkeit Tierprodukte verlangt. Würde die Öffentlichkeit aufhören, Tierprodukte zu verlangen, würden jene, die Kapital in das Geschäft mit Tieren investiert haben, ihr Kapital woanders anlegen.

Es gibt kaum einen empirischen Anhaltspunkt dafür, dass die Öffentlichkeit irgendeine wirkliche Herausforderung ihrer Möglichkeit, Tierprodukte zu konsumieren, tolerieren würde. Die Öffentlichkeit mag kosmetische Reformen unterstützen, die keinen erheblichen Preisanstieg zur Folge haben, insbesondere wenn billigere Produkte importiert werden können, aber Balluch macht sich etwas vor, wenn er denkt, dass seine Strategie, Veganismus durch Tierschutzreformen gesetzlich zu bewirken, selbst wenn dies praktisch möglich wäre, von der Öffentlichkeit akzeptiert würde, bevor diese von der Immoralität der Tiernutzung überzeugt ist. Die Vorstellung, die Tierrechtsbewegung könne ohne die aktive Unterstützung der Öffentlichkeit den Druck ausüben, der für wesentliche Änderungen notwendig ist, lässt überdies einen tief gehenden Mangel an Verständnis des politischen Prozesses erkennen.

Die wirtschaftliche Wirkung von Tierschutzreformen

Balluch behauptet: "(E)s ist ebenso zumindest möglich – wenn wir auch dazu bisher noch keine statistischen Daten über die Wahrscheinlichkeit haben –, dass sich eine Gesellschaft politisch über den Tierschutz zu Tierrechten entwickelt." Er unterstellt, dass Tierschutzreformen die Tierindustrie schwächen und die Nachfrage nach Tierprodukten sinken lassen, indem diese teurer und dadurch die Menschen veranlasst werden, auf vegane Alternativen zurückzugreifen.

Balluch versteht die Natur von Tierausbeutung und Tierschutzreformen nicht.

Tierschutzreformen schwächen die Tierindustrie im Allgemeinen nicht. Dies ist so, weil Tierschutzreformen Tierausbeutung generell wirtschaftlich effizienter machen und die Tierindustrie tatsächlich stärken. Zum Beispiel hat sich gezeigt, dass Alternativen zum Kastenstand für Schweine und Kälber den Profit für Produzenten erhöhen.

Die aktuelle Kampagne in den USA, die elektrische Betäubung bei der Schlachtung von Geflügel durch ein "Töten in kontrollierter Atmosphäre" [controlled atmosphere killing / CAK] zu ersetzen, gründet sich ausdrücklich auf den wirtschaftlichen Nutzen für Produzenten und Konsumenten. Laut der Hunane Society of the United States (HSUS) führt das Vergasen von Geflügel "zu Kosteneinsparungen und steigenden Einkünften durch verminderte Herunterstufung des Schlachtkörpers, weniger Verunreinigungen und Kühlungskosten, durch Steigerung der Erträge, Qualität und Haltbarkeit des Fleisches sowie Verbesserung der Arbeitsbedingungen."

Laut People for the Ethical Treatment of Animals (PETA) “senkt die Schlachtmethode der elektrischen Betäubung die Produktqualität und den Ertrag, weil die Vögel Knochenbrüche erleiden und das Verfahren in für die menschliche Gesundheit schädlichen Verunreinigungen resultiert." Die Methode der elektrischen Betäubung "erhöht die Arbeitskosten" zudem in verschiedener Weise. PETA argumentiert, dass CAK "Produktqualität und Ertrag erhöht", weil Knochenbrüche, Quetschungen und Blutungen angeblich vermieden, Verunreinigungen vermindert, die "Lagerfähigkeit des Fleisches" erhöht und "zarteres Brustfleisch" produziert wird. PETA macht überdies geltend, dass CAK "die Arbeitskosten senkt" durch das verminderte Erfordernis bestimmter Inspektionen, geringere Unfallhäufigkeit und sinkende Fluktuation. CAK bietet "weitere ökonomische Vorteile" für die Geflügelindustrie, indem das Verfahren Produzenten erlaubt, Geld bei Energiekosten und durch die Reduzierung von Abfallprodukten und Wasserverbrauch zu sparen.

Darüber hinaus können Produzenten einen Spitzenpreis kassieren, indem sie ihr Fleisch als "human" etikettieren, und vielleicht sogar die Unterstützung durch Tierschutzorganisationen erhalten, die verschiedene Etikettierungsmodelle befürworten und sponsern.

Tierschutzreformen beeinflussen die Nachfrage der Konsumenten aus einer Reihe von Gründen nicht. Erstens resultieren die meisten Tierschutzreformen nicht in einer Preissteigerung, die ausreicht, um sich auf den Konsum auszuwirken. Zweitens wechseln Konsumenten nicht in dem Maß, in dem eine Preissteigerung erheblich ist, zu veganen Alternativen, sondern greifen zu billigeren Tierprodukten. Wenn also der Preis für Rindfleisch aus welchen Gründen auch immer steigt, kaufen Konsumenten mehr Geflügel, Schweinefleisch, Lamm oder Fisch. Sie kaufen nicht Tofu. Drittens führt angesichts der Tatsache, dass der größte Teil der Welt heutzutage in Abkommen des "Freihandels" eingebunden ist, ein Preisanstieg für eine Ware in einem Land dazu, dass billige Importe auf den Markt kommen.

Balluchs Beispiele

Die Beispiele, die Balluch liefert, um seine Position zu stützen, tun dies nicht.

Sein Hauptbeispiel hat mit der österreichischen Eierindustrie zu tun. Balluch macht geltend, dass Österreich Legebatteriekäfige dem angenommenen Stichtag der Europäischen Union 2012 vorausgehend verboten hat und dass die Eierproduktion um 35 % gefallen ist. Ich habe nicht vermocht, etwas diese Aussage Erhärtendes zu finden. Laut Statistik Austria [3] betrug die gesamte Eierproduktion in Österreich 89,271 Tonnen im Jahr 2005 und 90,613 Tonnen im Jahr 2006. Das ist eine Steigerung von 1,5 %. Von dieser Gesamtproduktion entfielen 3,510 Tonnen 2005 und 3,902 Tonnen 2006 auf Eier für Brutzwecke. Zieht man diese Zahlen von der Gesamtproduktion ab, betrug die Eierproduktion 2005 85,761 Tonnen und 2006 86,711 Tonnen. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Eiern stieg von 233 Stück 2005 auf 236 Stück 2006. Außerdem sieht es so aus, als importiere Österreich auch mehr Eier. Die Produktionszahlen für 2007 sind auf Statistik Austria noch nicht verfügbar. Ich weiß nicht, woher Balluch seine Zahl von 35 % Rückgang der Eierproduktion nimmt, aber seine Behauptung wird nicht gestützt durch die Zahlen, die ich gefunden habe.

Überdies ist in gewisser Hinsicht das Niveau der Eierproduktion in Österreich irrelevant. Österreich ist Teil der Europäischen Union. Wenn der Eierpreis in Österreich wesentlich ansteigt oder wenn die dortige Produktion die Nachfrage nach Eiern nicht deckt (was der Fall wäre, wenn es zuträfe, dass, wie Balluch sagt, die Eierproduktion um 35 % gesunken ist), werden Eier aus anderen EU Ländern importiert, die noch die konventionellen Batteriekäfige haben. Obwohl die EU angibt, Batteriekäfige von 2012 an zu verbieten, ist die Vorstellung, dass alle EU-Länder dieses Datum einhalten werden, mehr als unrealistisch. Hinzu kommt, dass die EU-Vorschrift "ausgestaltete" Käfige erlaubt, die im Wesentlichen Batteriekäfige sind, welche selbst von moderaten Tierschutzorganisationen abgelehnt werden. Diese Käfige können weiterhin verwendet werden, auch wenn alle EU-Länder der Vorschrift bis 2012 entsprechen sollten. Obwohl Balluch behauptet, dass Österreich auch die "ausgestalteten" Käfige verboten hat, gibt ein anderer Teil seiner Website an, dass "ausgestaltete" Käfige, die vor dem 01.Januar 2005 gebaut wurden, bis 15 Jahre nach ihrer ersten Inbetriebnahme verwendet werden dürften.

Zuletzt unterstellt Balluch, dass "käfig-freie" oder Eier aus "Bodenhaltung" für die Hennen ein wesentlich besseres Leben bedeuten. Das ist ein Mythos. Werfen Sie einen Blick auf das exzellente Informationsmaterial (1, 2), das von Peaceful Prairie Sanctuary zu Eiern aus "Freilandhaltung" herausgegeben wird.

Balluch bietet mehrere andere Beispiele. Er führt das österreichische Verbot von Wildtieren im Zirkus an. Das Problem ist natürlich, dass domestizierte Tiere nach wie vor in Zirkussen in Österreich zugelassen sind; Balluch stellt fest, dass "Pferde, Rinder, Schweine und Hunde" weiterhin in Zirkussen genutzt werden. Vielleicht ist er der Meinung, dass es einen moralischen Unterschied zwischen der Nutzung nicht domestizierter Tiere und der Nutzung domestizierter Tiere gibt. Ich bin anderer Meinung.

Balluch führt das österreichische Verbot von Pelzfarmen an, aber er räumt ein, dass das Verbot "an sich keinen Rückgang im Pelzhandel bewirkt, es wurden eben Pelze aus dem Ausland nach Österreich eingeführt." Balluchs eigene Beobachtung widerlegt seine allgemeine These, dass die Öffentlichkeit irrelevant, dass Aufklärung Zeitverschwendung, dass das Problem der Tierausbeutung ein Konflikt zwischen Tierrechtsbewegung und Tierindustrie ist und dass die Öffentlichkeit einfach "mit dem Strom schwimmt und den widerstandslosesten Lebenswandel wählt". Österreich hat Pelzfarmen verboten. Die Pelzfarmer wurden vom Markt verdrängt, aber der Pelzverkauf in Österreich ist nicht zurückgegangen. Dies beweist in ziemlich überwältigender Weise, dass, wenn die Öffentlichkeit nicht aufgeklärt ist und die Nachfrage nach Tierprodukten fortbesteht, Tiere fortgesetzt ausgebeutet werden. Die Tatsache, dass das eigentliche Töten von Tieren woanders stattfindet, ist irrelevant.

Balluch stellt fest, dass Österreich hat, was er anscheinend als einzigartige straf- und verfassungsrechtliche Gesetzgebung erachtet.
§6 (1) Tierschutzgesetz: Es ist verboten, Tiere ohne vernünftigen Grund zu töten.
§222 (3) Strafgesetzbuch: Es ist verboten, Wirbeltiere ohne vernünftigen Grund zu töten.
Verfassung: Der Staat schützt das Leben von Tieren als Mitgeschöpfe des Menschen.
Balluch ignoriert die Tatsache, dass die Nutzung von Tieren in institutionalisierter Ausbeutung einen "guten Grund", Tiere zu töten, darstellt, soweit es das Gesetz betrifft, und dass dies auch für Österreich gilt, das, soweit mir bekannt ist, kein veganes Land geworden ist. Ihm ist anscheinend unbekannt, dass viele Tierschutzgesetze ähnliche Klauseln enthalten und Österreichs Gesetzgebung in keiner Weise einzigartig ist.

Balluch erwähnt das 2005 in Österreich erlassene Verbot der Verwendung von Menschenaffen in Tierversuchen. Davon agesehen, dass österreichische Tierexperimantatoren die Verwendung von Menschenaffen weitgehend eingestellt hatten, bevor das Gesetz in Kraft trat, wird durch die Vorstellung, Menschenaffen seien mehr "wie wir" als andere Tiere und hätten deshalb Anspruch auf größeren rechtlichen Schutz, der Speziesismus verstärkt und nicht abgebaut. Ich bin natürlich froh darüber, dass Tierexperimentatoren in Österreich keine Menschenaffen für zukünftige Experimente verwenden können, aber ich warne Anwälte der Tiere davor, für ein Gesetz zu kämpfen mit der Begründung, einige Tiere seien wegen ihrer Menschenähnlichkeit gleicher als andere. Empfindungsfähigkeit ist das einzige Kriterium, dass der Personenstatus erfordert.

"Zweigleisiger Aktivismus" = Aktivismus auf dem falschen Gleis

Balluchs Analyse gleicht derjenigen anderer Neuer Tierschützer. Zum Beispiel befürwortet Norm Phelps in einem kürzlich von "Vegan" Outreach in Umlauf gebrachten Artikel, was er "zweigleisigen Aktivismus" nennt, der die Unterstützung von Tierschutzreformen einschließt. Laut Phelps machen diese Reformen die Menschen "sehr viel empfänglicher für die vegane Botschaft". Er behauptet, dass jene, die den abolitionistischen Ansatz verfolgen, theoretische Folgerichtigkeit über praktische Resultate stellen. Wie Balluch unterstellt Phelps einfach, dass Tierschutzreformen die Industrie schädigen. Wie Balluch hat er anscheinend nicht die leiseste Ahnung von der Ökonomie der Tierschutzregulierung.

Zum Beispiel akzeptiert Phelps die Behauptung, dass die HSUS-Kampagne gegen den Kastenstand für schwangere Sauen ein Beispiel einer Anstrengung ist, welche die Fleischprouduzenten "ökonomisch lähmen" wird. Vielleicht sollte Phelps den HSUS-Bericht lesen, dem zufolge EU-Studien darauf hindeuten, dass
die Produktivität von Sauen in Gruppenhaltung höher als in einzelnen Kastenständen ist infolge reduzierter Verletzungsraten und Krankheit, früherer erster Brunst, schnellerer Rückkehr zur Brunst nach dem Abferkeln, geringeren Vorkommens von Totgeburten und kürzerer Abferkelzeiten. Gruppenhaltung unter Einsatz elekronischer Fütterungsmaschinen (electronic sow feeder/ ESF) sind besonders rentabel... Die Umstellung vom Kastenstand auf Gruppenhaltung mit ESF reduziert die Produktionskosten geringfügig und erhöht die Produktivität.
HSUS zitiert Studien, die zeigen,
dass die Gesamtkosten pro verkauftem Ferkel um 0,6 % niedriger in Gruppen/ESF-Systemen sind, während das Einkommen für den Ferkelzüchter aufgrund gesteigerter Produktivität höher ist ... dass, verglichen mit dem Kastensatnd, Gruppenhaltung mit ESF die Arbeitszeit um 3 % verringert, das Einkommen pro Sau und Jahr geringfügig erhöht….[und dass] [E]insparungen in der Sauenzucht an den Mastbetrieb weitergegeben werden können, wo die Kosten pro Gewichtseinheit um 0,3 % sinken. Allein diese Kostenänderung würde sich im Einzelhandelspreis für Schweinefleisch niederschlagen.
HSUS kommt zu dem Schluss:
Es ist wahrscheinlich, dass Produzenten, die Gruppenhaltung mit ESF einführen, die Nachfrage nach ihren Produkten erhöhen oder einen Preisaufschlag verdienen könnten. Eine Umfrage aus dem Jahr 2003 hat festgestellt, dass 77 % der Konsumenten in Iowa Schweinefleischprodukte von Handelsgesellschaften kaufen würden, deren Nahrungsmittel von Lieferanten kommen, die ihre Schweine ausschließlich unter humanen und umweltgerechten Bedingungen produzieren und aufziehen.
Überdies scheinen Balluch und die anderen Neuen Tierschützer nicht zu verstehen, dass wir in einer Welt begrenzter Ressourcen leben. Jeder Dollar und jede Minute, die wir darauf verwenden, Tierschutzreformen voranzutreiben, machen weniger Ressourcen für kreative, gewaltlose Aufklärung über Veganismus verfügbar. Es ist keine Sache von "zweigleisigem Aktivismus", wenn ein Gleis eindeutig das falsche ist.

Letztlich behauptet Balluch, dass ich in Rain Without Thunder die schrittweise Reform des Tierschutzes befürworte, dass ich nur zu beschränkt darin sei, was ich als abolitionistische Reform betrachte. Seine Kommentare suggerieren, dass ich mich für Tierschutzreformen ausspreche, und dies ist unrichtig. In meinem Buch vertrete ich die Auffassung, dass Anwälte der Tiere sich auf Veganismus und gewaltlose aufklärerische Bemühungen konzentrieren sollen, um das Paradigma von Tieren als Eigentum auszuhöhlen. Ich habe argumentier, dass Anwälte der Tiere, wenn sie Reformen verfolgen wollen, zumindest das Verbot bedeutender institutioneller Komponenten der Ausbeutung im Rahmen einer Kampagne verfolgen sollten, die den inhärenten (innewohnenden) Wert von Tieren anerkennt und der Öffentlichkeit ausdrücklich als Teil einer Gesamtanstrengung zur Abschaffung aller Tierausbeutung präsentiert wird.

Balluchs Vorschlag, dies sollte angemerkt werden, wird nicht einmal diesen Kriterien gerecht. Auf der einen Seite macht er geltend, dass "eine Tierschutzreform.. ein Schritt in Richtung Tierrechte (ist), wenn sie die Tierindustrie entscheidend schwächt". [4] Eine solche Kampagne würde nicht zwangsläufig den Kriterien entsprechen, die ich in Rain Without Thunder vorgestellt habe. Auf der anderen Seite scheint er zu behaupten, dass Anwälte der Tiere jede Reform, einschließlich "Human"-Labels für "Bio-Fleisch", unterstützen sollten, weil jede Tierschutzreform vermutlich für mehr Unterstützung für Tierschutz sorgt, welcher, laut Balluch, in Richtung Tierrechte führt. Diese Kampagnen bauen den Eigentumsstatus von Tieren nicht nur nicht ab, sie verstärken ihn.

Fazit:
Es gibt, in einem Wort, nichts Neues an Balluchs Ansatz. Er unterbreitet lediglich das Paradigma des Neuen Tierschutzes, das die Bewegung in den USA und Großbritannien seit den 1990er Jahren beherrscht und nun anscheinend in andere Teile Europas exportiert worden ist.

Die Vorstellung, dass wir Tierschutz fördern müssen, um ihn zu unterminieren, ist absurd und sollte von all jenen verworfen werden, denen es um das Vermitteln einer moralisch bedeutungsvollen Botschaft und um das Erzielen praktischer Resultate zu tun ist.

Der Ansatz des Neuen Tierschutzes fördert keins von beiden. Der abolitionistische Ansatz fördert beides.

Vegan leben ist nicht, wie Balluch und andere suggerieren, eine Sache schmerzvoller Selbstverleugnung und großen Opfers. Es ist leicht, besser für Ihre Gesundheit und besser für den Planeten. Und was das Wichtigste ist, es ist die Anwendung des Prinzips der Abschaffung der Tierausbeutung in Ihrem täglichen Leben.

Wenn Sie nicht dazu bereit sind, vegan zu leben, sehen Sie schlicht der Tatsache ins Auge, dass sie nicht genug Verantwortungsbewusstsein haben, um das zu tun, was zu tun in Ihrer Macht liegt – zu entscheiden, was Sie sich in den Mund stecken, was Sie anziehen und welche Mittel Sie auf Ihrem Körper anwenden. Verschwenden Sie nicht Ihre Zeit und Ihr Geld, um Tierschutzorganisationen zu unterstützen, die Ihnen erzählen, dass ein bestimmter Tiermissbrauch schlimmer als ein anderer ist und dass, wenn Sie ihnen nur einen finanziellen Beitrag zukommen lassen, sie es für Sie in Ordnung bringen.

Nein, dadurch, dass Sie vegan leben, haben Sie nicht die Probleme der Welt gelöst. Sie entfernen sich nicht vollständig von der Tierausbeutung, die jeden Aspekt unseres Lebens durchdringt und selbst im Belag unserer Straßen, in unseren Häusern, Farbanstrichen, Kunststoffen und vielen anderen Dingen gegenwärtig ist. Aber wenn die Mehrheit von uns Tierprodukte von ihrem Teller verbannte und sie anderweitig zu konsumieren aufhörte, würde die Industrie sehr schnell Alternativen zu billigen tierlichen Nebenprodukten finden.

Gary L. Francione
© 2008 Gary L. Francione

Anm. d. Übers.
[1], [2], [4] Wörtliche Übersetzung; die anderen Zitate von Balluch sind der deutschen Version seines Essays entnommen.

[3] deutsche Fassung

Die Europäische Kommission und das "Verbot" von Legebatteriekäfigen

von Gary L. Francione  Blog

Am 08. Januar 2008 hat die Europäische Kommission Aufforderungen zurückgewiesen, ihre Direktive, die ein "Verbot" des konventionellen Batteriekäfigs verlangt, zu verschieben. Laut dieser Direktive, deren Inkrafttreten auf 20012 festgesetzt ist (nach ihrer ersten Ankündigung im Jahr 1999) haben Eierproduzenten die Wahl, auf "Freilandhaltung", "Bodenhaltung" (in den USA als "käfig-frei" bekannt) oder "ausgestaltete" Käfige umzustellen, bei denen die Besatzdichte geringer ist und die mit Einstreu, einem Nest, einer Sitzstange und einen Krallenkürzer ausgestattet sein müssen.

Und die Tierschützer sind, wie sich voraussehen ließ, so begeistert wie sie es nur sein können, obwohl einige von ihnen bereitwillig eine Spur angebrachter Skepsis erkennen ließen.

Die Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals ist eine Tierschutzorganisation. In der Tat sponsert die RSPCA das Freedom-Food-Label [Freiheitsnahrung], ein Kunstgriff, der Konsumenten in die Irre führt, indem es sie denken lässt, sie kauften Fleisch und Tierprodukte von "glücklichen" Tieren. Obwohl die RSPCA die Entscheidung der Kommission, das Verbot von Batteriekäfigen nicht zu verschieben, lobte, stellte sie immerhin heraus:
Während die RSPCA die 'ausgestalteten' Käfige, verglichen mit konventionellen kahlen Batteriekäfigen, als einen kleinen Schritt vorwärts erachtet, entsprechen sie noch immer nicht in adäquater Weise einigen elementaren Bedürfnissen der Vögel. Dies schließt nicht genug Platz, um ihre Flügel richtig zu spreizen, ein oder die nicht ausreichende Möglichkeit zum erfolgreichen Staubbaden, was zu Frustration und Leiden führt.
Die RSPCA favorisiert "Freilandhaltungs-" und "käfig-freie" Systeme, die natürlich nicht als "human" beschrieben werden können ohne eine groteske Verzerrung dieses Wortes. Eine Durchsicht der Informationen über diese Systeme, geliefert von Peaceful Prairie Sanctuary, einschließlich des schockierenden Videos über "Freiland"-Eierproduktion, sollte jedem zu denken geben, der bereit ist, diese alternativen Formen von Tierquälerei zu fördern. Aber nicht einmal die RSPCA befürwortet die "ausgestalteten" Käfige, die eine Option unter dem EU- "Verbot" sind.

Eine andere britische Tierschutzorganisation, Compassion in World Farming, preist das EU-"Verbot" in ihrer Presseerklärung als einen "gewaltigen Erfolg". Aber CIWF hatte zuvor ein umfangreiches Papier herausgebracht, in welchem die Organisaion das unter dem "Verbot" erlaubte System "ausgestalteter" Käfige missbilligt; dies fand keine Erwähnung in der das "Verbot" begrüßenden Presseerklärung von CIWF.

Und Eier, die in konventionellen Legebatterien in Ländern außerhalb der EU erzeugt werden, dürfen auch weiterhin importiert werden.

Was sagen Tierschützer in den USA über das "Verbot"?

Obwohl People for the Ethical Treatment of Animals (PETA) zutreffenderweise feststellt, dass das Beste, was Sie tun können, ist, Vegetarier zu werden und aufzuhören, Eier zu essen, beschreibt PETA die Entscheidung der EU als eine "Sieg für Hennen" und behauptet, dass "das 2012 in Kraft tretende Verbot von Batteriekäfigen ein unglaublicher Schritt für Legehennen (ist)". Nicht erwähnt wird, dass das "Verbot" "ausgestaltete" Käfige nicht verbietet, die selbst von konservativen Tierschutzgruppen missbilligt werden.

Andererseits machte PETA in der Ausgabe Winter 2007 seiner Zeitschrift Animal Times geltend, dass es seine "Unternehmenstrategie" ist, Tieren zu helfen, und führt als Beispiel an, dass Safeway, eine Supermarktkette, "zugestimmt (hat), sich bei seinen Geflügellieferanten für Controlled Atmosphere Killing (CAK) [Töten in kontrollierter Atmosphäre] einzusetzen – ein Verfahren, bei dem Hühner und Truthähne schnell und schmerzlos 'eingeschläfert' werden." (p. 3)

Und die Humane Society of the United States (HSUS), die das Lob bedeutungsloser Tierschutzreformen zu einer Kunstform erhoben hat, hatte Folgendes zu sagen:
Die Humane Society International applaudiert der heutigen Grundsatzentscheidung der Europäischen Kommission, kahle Batteriekäfige wie vorgesehen zu verbieten. Dieser hochbedeutsame Schritt für den Tierschutz zeigt der Massentierhaltungslobby, dass die öffentliche Meinung zu berücksichtigen ist.

Die Europäische Kommission hat einen Aufruf der Industrie-Lobbygruppen, das Verbot zu verzögern, zurückgewiesen und statt dessen dem Wunsch der Bürger der Europäischen Union entsprochen. Einige EU-Mitgliedstaaten und Funktionäre der Eierindustrie haben für eine Verschiebung des Verbots gekämpft. Angenommen im Jahr 1999, verbietet die EU-Legehennen-Haltungsverordnung den Gebrauch konventioneller Batteriekäfige vom 01. Jan. 2012 an.
"Das Einsperren von Legehennen in Batteriekäfige ist eine der grausamsten und inhumansten Praktiken in der Welt der Massentierhaltung. Es ist ermutigend zu sehen, dass die Europäische Kommission Forderungen nach einer Verschiebung des 2012-Verbots zurückgewiesen hat", sagt Wayne Pacelle, HSUS-Präsident und Geschäftsführer.

Obwohl die Organisation immerhin erwähnt, dass "ausgestaltete" Käfige noch immer verwendet werden können, erklärt HSUS unverständlicherweise, dass die Direktive "ein wichtiger Schritt hin zu einem völligen Verbot von Käfigen für Legehennen ist."

Das "Verbot" ist ein Witz. Solche Regulierungen bewirken nichts anderes als der Öffentlichkeit ein besseres Gefühl bei der Ausbeutung von Tieren zu vermitteln. Dies ist nur ein weiterer Versuch, die Öffentlichkeit glauben zu machen, dass Tierschutzreformen wesentliche und bedeutsame Verbesserungen in der Behandlung von Tieren, die als Nahrungsmittel ausgebeutet werden, zur Folge haben.

Und dieser traurige Witz betrifft nicht nur die Tiere; er betrifft ebenfalls die Konsumenten von Tierprodukten. Die Europäische Kommission zitiert Studien, welche anzeigen, dass die erhöhten Kosten für Produzenten von "ausgestalteten" Käfigen weniger als 1 Cent betragen werden. Produzenten können diesen geringfügigen Anstieg mehr als wettmachen, indem sie einen Zuschlag für Eier berechnen, die als "tierschutzfreundlicher" vermarktet werden. Die Kommission hat eine Kampagne, Konsumenten zum Kauf dieser Eier von "glücklichen" Hühnern zu ermuntern, empfohlen. Also werden die Konsumenten schließlich einen Bonus für Produkte von gequälten Tieren bezahlen.

Anwälte der Tiere starteten diese Kampagne in den 1990ern und brachten die EU dazu, 1999 eine Direktive herauszugeben. Das "Verbot" wird nicht vor 2012 in Kraft treten und wird den Produzenten gestatten, Produktionssysteme zu verwenden, die nicht einmal konservative Tierschutzgruppen gutheißen. Und auch "Freiland-" "Stall-" oder "Bodenhaltung" sind schrecklich. Das "Verbot" kann durch den Import von Eiern von außerhalb der EU, produziert in konventionellen Batteriekäfig-Systemen, gänzlich umgangen werden. Schließlich bleibt, obwohl die EU-Forderungen nach einer Verschiebung zurückgewiesen hat, abzuwarten, ob mächtige EU-Staaten wie Frankreich, Spanien und Polen fortfahren werden, das Verbot zu bekämpfen, und es dadurch notwendig machen, dass Tierschützer fortfahren, Zeit, Geld und andere Ressourcen für eine bedeutungslose Kampagne zu verwenden.

Falls irgendjemand denkt, dass diese Kampagne ein guter Verwendungszweck für die Ressourcen der Bewegung [für Tiere] war, bin ich anderer Meinung. Für mich ist klar, dass Zeit, Geld und Arbeitskraft besser in eine unzweideutige vegane Kampagne investiert worden wären, als die Öffentlichkeit in die trügerische Annahme zu setzen, dass "tierschutzfreundliche" Eier realer seien als Einhörner.

Gary L. Francione
© 2008 Gary L. Francione

 Siehe zmm selben Thema:  ''Der größte Sieg des Tierschutzes. Das Verbot der Legebatterien und seine Folgen.''

Rette einen Seehund: Iss nicht-kanadische Meeresfrüchte

von Gary L. Francione Blog

Liebe KollegInnen,

In seinem Bericht zur Robbenschlachtung: besondere Gelegenheit, zu helfen, schreibt der Hauptgeschäftsführer [CEO:chief executive officer] von HSUS [Humane Society of the United States], Wayne Pacelle:

Es ist ein Tag, dem ich jedes Jahr mit Schrecken entgegensehe: wenn der erste Schlag oder die erste Kugel ein Robbenbaby an Kanadas Ostseeküste trifft. Es markiert den Beginn des weltgrößten internationalen Schlachtens von Meeressäugern.


Die HSUS-Lösung des Problems? Sie hat zwei Teile.

Erstens hat HSUS eine ''Rette heute einen Seehund''-Kampagne angestoßen, die dazu aufruft, eine Verpflichtungserklärung zu unterschreiben, ''keine in Kanada produzierten Meeresfrüchte – wie Eismeerkrabben, Kabeljsu, Muscheln und Schrimps –zu kaufen, bis Kanada seine kommerzielle Robbenjagd für immer einstellt.''

Laut HSUS sollen wir also in Kanada produzierte Meeresfrüchte boykottieren und stattdessen in Amerika, Frankreich, Norwegen, Japan etc. produzierte Meeresfrüchte essen. Aber haben Sie keine Sorge. Wir müssen die leckeren kanadischen Produkte nicht für immer aufgeben. Wenn die Kanadier das kommerzielle Robbenschlachten erst mal eingestellt haben, können wir den Verzehr dieser Produkte wieder aufnehmen.

Der erste Teil dieser Lösung tut nicht nur, was nahezu jede Einzelthema-Kampagne tut – die Botschaft senden, dass einige Tiere, ob Robben, Wölfe oder Menschenaffen, einen höheren moralischen Wert als andere haben –, sondern sie verstärkt ausdrücklich diese speziesistische Wertung, indem sie Menschen dazu ermuntert, andere nicht-kanadische Meerestiere zu konsumieren, bis Kanada aufhört, die Robben zu töten (als kommerzielles Unternehmen).

Nun, ich verstehe, dass Menschen Robben niedlicher finden als Kabeljau, aber die menschliche Wahrnehmung von Niedlichkeit sollte nicht das Kriterium für Mitgliedschaft in der moralischen Gemeinschaft sein.

HSUS notiert:

Warum kanadische Meeresfrüchte boykottieren? Weil es funktioniert.
Eine kleine Gruppe kommerzieller Fischer in Ostkanada tötet Robbenbabys ihres Fells wegen, was ihnen einen winzigen Teil ihres Jahreseinkommens einbringt. Deren Industrie hat einen Einbruch ihrer Einnahmen erlebt, seit wir vor ein paar Jahren den Boykott gestartet haben.

Wenn wir also mit dem Boykott fortfahren und das Robbenschlachten endet, dann kann die kanadische Meeresfrüchte-Industrie wiedererstehen und mit ihrem vordem höheren Niveau des Schlachtens von Fischen und anderer aquatischer Tiere fortfahren.

Der Unterschied ist, dass Kabeljau, obwohl vermutlich für andere Kabeljau anziehend, keines dieser kleinen Gesichter hat, die uns Menschen nur so dahin schmelzen lassen.

Aber empfindungsfähige Meerestiere wertschätzen ihr Leben ebenso wie Robben das ihre.

Der erste Teil der von HSUS betriebenen Lösung des Problems des Robbentötens ist also ausdrücklich spezieistisch und bekräftigt die Vorstellung, dass einige Tiere [moralisch] eine größere Rolle als andere spielen. Und HSUS macht einen weiteren Schritt, die Öffentlichkeit zu ermuntern, die weniger beliebten Tiere zugunsten der beliebteren zu konsumieren.

Tierschutzorganisationen machen zunehmend Gebrauch von Boykotten, die ausdrücklich Tierausbeutung fördern. Zum Beispiel verkündete PETA einen Boykott von Kentucky Fried Chicken, bis KFC zustimmen würde, seine Hühner von Produzenten zu kaufen, welche die Vögel vergasen, was PETA als ''humanere'' Art und Weise des Tötens der Tiere und als wirtschaftlich profitabler für Hühnerproduzenten bewirbt. Als KFC in Kanada einwilligte, brach PETA seinen Boykott (in Kanada) ab. Die gesendete Botschaft ist kristallklar: Es ist moralisch akzeptabel, Vögel zu konsumieren, die vergast wurden.

Zweitens stellt Pacelle fest:

Dieser Kampf kann demoralisierend sein. Aber wir müssen unseren Blick auf unser Ziel gerichtet halten. Heute bitte ich Sie darum, uns zu helfen, dies ein für alle Mal zu beenden. Wenn Sie uns jetzt in unseren Bemühungen, Robben zu retten, unterstützen, wird Ihre Spende durch die Giant Spep Foundation und andere großzügige Spender verdreifacht. Diese geben uns für jedem Dollar, den Sie spenden, bis wir eine Gesamtsumme von $400.000 erreichen, zwei Dollar. Bitte erwägen Sie eine besondere Zuwendung – mit dieser Chance, jeden Dollar, den Sie spenden, in drei zu verwandeln –, um uns zu helfen, die Schlacht schließlich zu gewinnen.
Demnach kann laut HSUS Ihre finanzieller Beitrag dem Verein helfen, ''die Schlacht schließlich zu gewinnen'', weil ein Gesamtbeitrag von $400.000 für HSUS $1,2 Millionen wert ist.

Ich verstehe das nicht.

Wie kann jemand ohne eine Miene zu verziehen erklären, dass $1,2 Mio. einen bedeutsamen Unterschied machen? Pacelle räumt ein, dass HSUS ein Jahresbudget von $150 Mio. hat, und Finanzakten zeigen an, dass der Verein Kapitalvermögen von fast $225 Mio. besitzt.

Aber weitere $1,2 Mio. ist es, was wir brauchen, um ''zu helfen, die Schlacht schließlich zu gewinnen''?

Es ist selbstverständlich schrecklich, dass Robben getötet werden. Aber ebenfalls schrecklich ist es, dass einige diese Tragödie benutzen,um ein paar Dollars mehr zu scheffeln.

Ich sollte hinzufügen, dass die HSUS-Robbenkampagne von der Humane Society International (HSI) dirigiert wird. HSI hat ein ''Humane Choice''-Label in Australien eingeführt, das, wie sie behaupten, ''dem Konsumenten garantiert, dass das Tier mit Respekt und Fürsorge behandelt wurde, von der Geburt bis zum Tod.'' Ein Produkt, welches das ''Humane Choice''-Label trägt, versichert den Konsumenten des Folgenden:

[D]as Tier hatte das beste Leben und den besten Tod, der einem Nutztier geboten wird. Die Tiere leben ihr Leben im Wesentlichen so, wie sie es auf Old McDonald's Farm getan hätten; ihnen wurde gestattet, ihre natürlichen Verhaltensbedürfnisse zu befriedigen, nach Futter zu suchen, sich unangebunden und ohne Käfig zu bewegen, mit freiem Zugang zu Außenbereichen, mit Sonnenschutz, wenn es heiß ist, einem Unterstand, wenn es kalt ist, mit gutem Futter und einem humanen Tod.

Lassen Sie uns also dem Tag, an dem das Robbentöten beginnt, ''mit Schrecken entgegensehen'', aber der Öffentlichkeit versichern, dass das tägliche Schlachten von Millionen von Nutztieren ganz in Ordnung ist.

Und auf einer kürzlichen Nachrichtenkonferenz zum Thema Tiere, die für Nahrungszwecke genutzt werden, stellte Pacelle fest:

Wir fordern nicht das Ende des Einsperrens von Tieren in Gebäuden. Wir fordern, dass sie nicht in Käfigen und Kästen, die kaum größer als ihre Körper sind, gepfercht werden.

Lassen Sie uns also ''die Schlacht gewinnen'' gegen das Töten von Robben, aber für ein bisschen mehr Platz für Tiere sorgen, die in Tierfabriken gequält werden.

Es sollte offenkundig für Sie sein, dass die Mainstream-Gruppen (und sie sind alle ziemlich gleich) als geschäftliche Unternehmen Tiere ausbeuten, und dass nichts davon etwas damit zu tun hat, das Leitbild weg von Tieren als Eigentum hin zu Tieren als moralischen Personen zu verschieben.

Die Kampagne gegen das Robbentöten läuft seit Jahrzehnten. Sie hat noch nicht geendet. Aber viele der Mainstream-Gruppen haben über diese Jahrzehnte hinweg Millionen und Abermillionen Dollar von der Kampagne gemacht.

Es gibt nur einen Weg, den Status Quo zu verändern: in den Menschen die Standardeinstellung zu vertreiben, dass Tiere Dinge sind. Es gibt ein Mittel zu diesem Zweck: kreative, gewaltlose Aufklärung über Veganismus.

Die Alternative ist, den Leuten zu erzählen, dass sie amerikanischen statt kanadischen Kabeljau essen sollen, bis Kanada aufhört, bestimmte Tiere zu töten, die das Glück haben, uns zu gefallen. Die Alternative ist, so zu tun, als gebe es irgendeinen Unterschied zwischen Robbenfell und der Haut irgendeines anderen Tieres. Die Alternative ist, daran festzuhalten, dass wir aufhören sollen, niedliche Robbenbabys zu töten, aber fortfahren können, Kühe, Schweine und Hühner mit einem auf ihre Leichen geklatschten ''Humane Choice''-Label zu konsumieren.

Diese Alternativen machen keinen Sinn. In der Tat sind sie kontraproduktiv, indem sie die Öffentlichkeit dazu verleiten zu denken, wir könnten bedeutungsvolle moralische Unterschiede zwischen verschiedenen Arten der Tierausbeutung machen.

Deshalb sage ich zu Wayne Pacelle, den ich seit vielen Jahren kenne: Wayne, willst Du wirklich ''die Schlacht schließlich gewinnen''? Dann bring Dein Talent und das Deiner Kollegen bei HSUS und die beträchtlichen Ressourcen des Vereins hinter eine einzige klare Botschaft:

Leben Sie vegan. Hören Sie auf, Tiere zu konsumieren, als Bekleidung oder anderweitig zu nutzen.

Wayne, wenn Du wirklich willst, dass sich die Dinge ändern, dann höre auf, die Vorstellung zu fördern, dass einige Tiere moralisch eine größere Rolle als andere spielen. Höre auf, ''Bio-Fleisch'', ''Bio-Eier'', ''Bio-Milch'' und die Idee von ''verantwortlichem Züchten'' zu bewerben. Höre auf, das Hirngespinst zu verbreiten, dass es in einigen Schlachthäusern ''Missstände'' gibt und nicht in anderen. Kläre Deine 11 Millionen Mitglieder darüber auf, dass das Problem die Nutzung von Tieren ist und dass es nicht darum geht, bestimmte Tiere zu fetischisieren oder Tierquälerei zu reformieren, was angesichts des Status von Tieren als bewegliches Eigentum ohnehin niemals zu einem verbesserten Schutz von Tieren führen wird und die Öffentlichkeit sich lediglich wohler bei der Ausbeutung und dem Konsum von Tieren fühlen lässt. Sicher, Deine konservativeren Spender werden dagegen Einwände haben, aber was solls? Stell Dir die Wirkung, den Einfluss vor, den Du haben könntest, würdest Du klarstellen, dass eine ''humane'' Gesellschaft eine ist, die jegliche Tiernutzung ablehnt.
(...)

Gary L. Francione
©2010 Gary L. Francione

Meine Antwort an Johanna

von Gary L. Francione Blog

Letzte Woche erhielt ich eine Email von einer Person, die ich mit ihrer Erlaubnis nur Johanna nennen werde. Johanna schrieb (Auszug):
Sie vertreten die Auffassung, dass wir alle unsere Zeit und Energie daransetzen sollen, Menschen zu überzeugen, Veganer zu werden. Ich denke, das ist eine wunderbare Idee, aber was ist mit all den Leuten, die Tiere überhaupt nicht kümmern und die niemals Veganer werden? Was ist mit denen, die vielleicht irgendwann einmal Veganer werden, aber nicht auf der Stelle dazu bereit sind?

Macht es mit Blick auf diese Menschen nicht Sinn, Tierschutzreformen zu verfolgen? Ist es nicht besser, sie zu ermutigen, Nahrungsmittel [tierlicher Herkunft] zu essen, die auf humanere Art und Weise produziert werden, selbst wenn der Unterschied zwischen diesen und solchen Nahrungsmitteln, die konventionell erzeugt werden, nicht sehr groß sein mag?
Johannas Bedenken sind recht typisch unter denen, die Tierschutzreformen und den ''Bio-Fleisch/ Mich/ Eier''-Ansatz unterstützen. Ich poste meine Antwort an Johanna in der Hoffnung, dass andere sie ihrem Nachdenken über diese Streitfragen dienlich finden werden.

Es gibt im Wesentlichen drei Gruppen von Menschen:

Die erste Gruppe besteht aus jenen, die, wie Sie zu bedenken geben, Tiere nicht kümmern und die niemals Veganer werden, zumindest nicht aus ethischen Gründen. Diejenigen, welche in diese Gruppe fallen, sind erklärtermaßen nicht bereit, mehr für Nahrungsmittel zu bezahlen, die als in ''humanerer'' Art und Weise produziert vermarktet werden.

Falls Ihnen vorschwebt, dass besagte Leute wirksam dazu gezwungen werden könnten, ''humaner'' produzierte Nahrungsmittel zu kaufen, wenn wir bestimmte Reformen in nationaler Gesetzgebung realisieren, dann gibt es hierzu mindestens zwei Überlegungen:

Zunächst ist jede Tierschutzmaßnahme, die das Leiden von Tieren in irgendeiner bedeutsamen Weise vermindert und auf alle inländisch produzierten Nahrungsmittel anwendbar ist (und nicht auf eine Marktnische für wohlhabende Konsumenten abzielt), kostenträchtig und hat einen erheblichen Preisanstieg zur Folge. Dies würde eine politische Reaktion hervorrufen, die sicherstellen würde, dass die Reform entweder nicht in Kraft träte oder bis zu völliger Bedeutungslosigkeit abgeschwächt würde.

Zweitens ist es, selbst wenn Reformen gesetzlich realisiert würden, nicht klar, dass unter den verschiedenen Freihandelsabkommen der Import von Tierprodukten, die unter konventionellen Bedingungen produziert werden, blockiert werden könnte. Soweit Menschen in dieser ersten Gruppe sich um Tiere keine Gedanken machen und sie nicht bereit sind, einen Preisaufschlag für vermeintlich ''humanere'' Produkte zu bezahlen, werden sie einfach Produkte von einer konventionellen Quelle kaufen.

Ihnen dürfte bekannt sein, dass es in Europa einen beträchtlichen Widerstand gegen inländische Gesetzgebung, mit der beabsichtigt ist, Tierschutzdirektiven der EU einzuführen, gegeben hat.

Die zweite Gruppe umfasst jene, die um Tiere besorgt sind und Veganer werden würden, wenn Ihnen ein gutes Argument dafür präsentiert würde, dass wir keinerlei Tierprodukte essen sollen und dass es keinen moralischen Unterschied zwischen Fleisch und Milch oder Eiern gibt.

Wenn Sie diesen Menschen erzählen, sie könnten ihre moralischen Verpflichtungen Tieren gegenüber damit erfüllen, käfig-freie Eier [Eier aus Bodenhaltung] zu essen oder Fleisch mit dem Certified-Humane-Raised-&-Handled-Label [Zertifiziert aufgezogen und behandelt], dem Animal-Compassionate-Label [Mitgefühl für Tiere] oder mit irgendeinem der anderen ''Bio-Fleisch''-Etiketts oder dass sie, laut Kommentatoren wie Peter Singer, ''sich gelegentlich den Luxus von Freilandeiern oder vielleicht sogar von Fleisch von Tieren leisten (können), die ein gutes Leben unter artgerechten Bedingungen hatten und dann human auf dem Hof getötet werden''; wenn Sie ihnen das erzählen, anstatt an sie mit einer klaren veganen Botschaft heranzutreten, dann kann es gut sein, dass diese Menschen nicht Veganer werden.

Ich kann Ihnen nicht sagen, wie oft Anwälte der Tiere mir sagten, sie seien jahrelang Vegetarier gewesen, hätten aber angefangen, vegan zu leben, nachdem sie eine Vorlesung von mir oder ein Interview mit mir gehört oder etwas von dem gelesen hätten, was ich darüber geschrieben habe, dass es keinen [moralisch relevanten] Unterschied zwischen Fleisch und Milch gibt und alles andere als Veganismus Tierausbeutung ist.

Zum Beispiel schrieb mir als Reaktion auf ein Seminar über Tierrechte, das ich in einem Tierheim gegeben hatte, ein dort ehrenamtlich Tätiger:
Ich war 12 Jahre lang Vegetarier und bin Veganer, seit ich das Tierheim nach Ihrem Besuch verlassen habe. Ich denke, es war das von Ihnen gegebene Beispiel von Simon dem Sadisten, das wirklich gesessen hat. In jedem Fall möchte ich Ihnen danken dafür, dass Sie gekommen sind, um hier zu sprechen. Veganer geworden zu sein hat mich wirklich dafür geöffnet, die Widersprüche in meinem Leben neu zu bewerten, ganz abgesehen von all dem tollen Essen, das ich sonst nicht ausprobiert hätte, weil es so leicht war, ein [Käse-]Pizza bestellender Vegetarier zu sein.
(Sie können das Simon-der-Sadist-Beispiel hier nachlesen.)

Als Reaktion auf mein Interview in The Vegan schreibt eine Leserin:
Am Ende des Interviews sagen Sie: ''Ich verwende eine Menge Zeit darauf, mit meinen Freunden über Veganismus zu sprechen, und bin froh, dass die meisten von ihnen Veganer geworden sind. Und ich höre niemals auf, zu versuchen, die anderen zu überzeugen. Niemals.''

Ich wollte Sie nur wissen lassen, dass ich ein von Ihnen Bekehrter bin! Vegetarierin seit 30 Jahren, bin ich vor einem Jahr Veganerin geworden, nachdem ich einige Online-Texte von Ihnen gelesen hatte, auf die meine vegane Tochter mich aufmerksam gemacht hatte. Meine Reaktion war: ''Ja, das ist vollkommen richtig'', und ich bedauere, nicht schon vor Jahrzehnten Veganerin geworden zu sein.

Ich unterstütze voll und ganz Ihre Einstellung, die so offenkundig richtig, wahr und klarsichtig ist, dass es manchmal schwer fällt zu verstehen, warum das nicht jeder sehen kann.
Ich bekomme Dutzende solcher Mitteilungen. Das Gleiche passiert Bob und Jenna Torres auf Vegan Freaks. Wir sprechen fast wöchentlich über Emails und Anrufe, die wir von Leuten erhalten, die Veganer werden, weil sie es schließlich ''kapieren''. Sie dachten, weniger zu tun, als vegan zu leben, sei moralisch vertretbar, weil dies genau das war, was die ''Bewegung'' ihnen erzählte.

Die dritte Gruppe besteht aus jenen, die nicht auf der Stelle Veganer werden, selbst wenn Sie sie mit einer überzeugenden veganen Botschaft ansprechen.

Sollten wir diese Leute dazu ermutigen, käfig-freie Eier oder ''Bio-Fleisch'' zu konsumieren, oder Fleisch wegzulassen, aber nicht Mich, als Schritt in Richtung Veganismus?

Meiner Meinung nach nicht.

Manche Tierschützer denken, dass wenn Sie jemandem die Botschaft, vegan zu leben, vermitteln, der nicht sofort bereit ist, es zu tun, derjenige gar nichts tun wird. Worauf gründet sich diese Annahme? Tatsächlich sagt uns der gesunde Menschenverstand das Gegenteil. Wenn Sie die Botschaft des Veganismus an jemanden richten, der sich über Tierethik Gedanken macht, aber noch nicht bereit ist, vegan zu leben, wird dieser Mensch höchstwahrscheinlich weniger tun, als vegan zu leben, aber er wird nicht nichts tun. Aber Sie können absolut sicher sein, dass er, wenn Sie jemandem erzählen, er brauche nicht vegan zu leben, um seine moralischen Verpflichtungen Tieren gegenüber zu erfüllen, es auch nicht tun wird. Wenn Sie Leuten in dieser Gruppe sagen, es sei moralisch akzeptabel, käfig-freie Eier oder ''Bio-Fleisch'' zu essen oder ''pflichtbewusste Allesesser'' zu sein, dann ist dies genau das und alles, was sie tun werden.

Wenn Sie die vegane Position verständlich erklären, wird jemand, der wirklich nicht gleichgültig ist, aber nicht umgehend Veganer werden will, etwas tun, das weniger als Veganismus ist. Die Frage ist, was sollte er tun?

Wenn wir es mit einem Anwalt der Tiere zu tun haben, der, nachdem er die Argumente für Veganismus erwogen hat, erklärt, dass er nicht auf der Stelle Veganer wird, ist die Antwort nicht, ihm vorzuschlagen, käfig-freie Eier oder ''Bio-Fleisch'' von Whole Foods zu essen.

Indem Sie diesen Vorschlag machen, ermutigen Sie ihn, zu glauben, es gebe einen Unterschied zwischen Eiern aus einer Legebatterie und solchen aus Bodenhaltung oder zwischen ''Bio-Fleisch'' von Whole Foods und konventionellem Fleisch. Es gibt keinen bedeutsamen Unterschied. Es ist alles grässlich. Die ''Bio-Fleisch''-Bewegung lässt die Menschen sich wohler beim Konsumieren von Tieren und Tierprodukten fühlen und ermutigt sie, Tiere und Tierprodukte zu konsumieren.

Es gibt keinen Unterschied zwischen Fleisch und Milch. Zu sagen, Sie äßen kein Fleisch, aber Milchprodukte oder Eier, ist wie zu sagen, Sie äßen große Kühe, aber keine kleinen. In einem Glas Milch steckt ebenso viel Leid wie in einem Pfund Steak, und alle diese Tiere enden im selben Schlachthaus, wonach wir sie ohnehin essen.

Zudem tendieren viele Menschen, wenn sie Fleisch aufgeben, dazu, mehr Milchprodukte und Eier zu essen. Was für ein ''Fortschritt'' ist das?

Wir sollten immer klarstellen, dass es keinen moralischen Unterschied zwischen Fleisch und allem anderen gibt. Es ist alles schlimm. Es ist alles Teil der Ausbeutung von Tieren, und nichts davon kann moralisch gerechtfertigt werden.

Eine bessere praktische Lösung ist es, einen schrittweisen Zugang vorzuschlagen, der stärker mit der Vorstellung übereinstimmt, dass wir keine Tierprodukte essen sollten.

Oft schlage ich jemandem in dieser dritten Gruppe vor, eine vegane Mahlzeit pro Tag für ein oder zwei Wochen zu essen. Und dann zwei Mahlzeiten in der dritten und vierten Woche und drei Mahlzeiten in der fünften und sechsten Woche. Ich versorge ihn mit Informationen über vegane Ernährung und leite ihn zu einigen der hervorragenden Websites, die so deutlich demonstrieren, wie einfach es ist, vegan zu leben, und die eine breite Palette der vorzüglichen und nahrhaften Angebote, die erhältlich sind, bieten.

Ich denke, es ist sehr wichtig, ehrlich zu den Menschen zu sein und ihnen zu erklären, dass in unserer Gesellschaft, die von Tierausbeutung durchdrungen ist, es unmöglich ist, Tierausbeutung komplett zu vermeiden. Was aber absolut sicher ist, ist dies, dass Sie, wenn Sie nicht vegan leben, Tierausbeuter sind. Es ist unerlässlich, dass jenen, die um Tiere besorgt sind, deutlich gesagt wird, dass dies nicht genug ist. Sie müssen Ihren Prinzipien entsprechend handeln.

Obwohl der von mir beschriebene schrittweise Zugang besser ist, als käfig-freie Eier und ''Bio-Fleisch'' zu konsumieren und mehr Profit in die Taschen von Tierausbeutern zu stecken, deren Produkte mehr kosten, aber nicht ''humaner'' sind als konventionelle, ist es wichtig, jedem, den diese Probleme kümmern, vor Augen zu führen, dass alles, was weniger als Veganismus ist, bedeutet, den eigenen Genuss über das Leben und Leiden der Tiere zu stellen, die sie weiterhin essen. Wir sollten niemals das Essen irgendeines Tierproduktes unter irgendwelchen Umständen ''billigen''. Wir sollten stets deutlich und unzweideutig Singers Ansicht zurückweisen, dass ein konsequenter Veganer zu sein ''fanatisch'' ist oder dass wir die Verpflichtung haben, nicht vegan zu essen, wenn dies zu tun andere zu der Reaktion veranlasst, zu sagen: ''Oh mein Gott, diese Veganer...''

Das eine, was ich niemals tue, ist die Vorstellung zu verstärken – die von den großen Tierschutzgruppen befördert wird –, dass Veganismus einen schwierige Veränderung des Lifestyles bedeutet und nur für jene realisierbar ist, die gut darin sind, sich selbst aufzuopfern, und über mönchische Selbstdisziplin verfügen. Ich sage ihnen die Wahrheit: Veganismus ist leicht. Delikates, nahrhaftes veganes Essen muss nicht teuer sein. Und ich betone, dass es, wenn es ihnen mit Tierethik ernst ist, keine andere Wahl gibt.

Und was unsere Öffentlichkeitsarbeit anbelangt, bedenken Sie, dass es ein Nullsummenspiel ist. Unsere Zeit und unsere Ressourcen sind begrenzt. Die Zeit und Ressourcen, die Sie darauf verwenden, für Bio-Fleisch und [andere] Bio-Tierprodukte Werbung zu machen, verwenden Sie nicht auf klare, unzweideutige Aufklärung über Veganismus. Letzteres zu tun ist der beste Weg, die Nutzung und das Leiden [von Tieren] kurzfristig zu vermindern, und es ist der einzige Weg, langfristig eine abolitionistische Bewegung aufzubauen, die das moralische Leitbild weg vom Status von Tieren als Eigentum verändern kann.

Die ''Bio-Fleisch/ Milch/ Eier''-Bewegung schließt eine notwendige Allianz zwischen Anwälten der Tiere und institutionellen Ausbeutern ein, in der Tierschützer quasi die Partner der Tierindustrie sind, Werber für ''humanes'' Fleisch, ''humane'' Milch und ''humane'' Eier''. Der abolitionistische Ansatz lehnt diese Allianz ab.

Gary L. Francione
© 2007 Gary L. Francione